Samstag, 8. Mai 2010

Anglophilie I

Englische oder britische Weinkenner und sommeliers sind anerkannt und bekannt, und so habe ich auch in Banbury in einem nicht mehr erinnerlichen Jahr in den sechzigern zum ersten Mal in meinem Leben Nuits St. Georges getrunken. Ich gebe zu, das reicht zur Charakterisierung nicht aus und ist doch eine Erinnerung geblieben, die sich, so weit erinnerlich, nicht durch andere außerordentliche Umstände erhalten hat. Es war wohl kaum der etwas blasse Verehrer meiner Schwester, der dort arbeitete. Doch will ich gar nichts über Wein sagen, meine Kenntnisse sind allzu begrenzt, und ein Naturtalent wie die Ungarin Anna, vielleicht fünf Jahre vor dem besagten Nuits-St.-Georges, bin ich ebenfalls nicht, die selbst den klärenden Gips aus dem Wein, einem Mantineia, herausschmecken konnte, wenn wir anderen noch so taten, als ließen wir ihn auf der Zunge zergehen.
Es geht aber auch nicht ums Trinken, sondern ums Essen, weil ich Great Britain & Ireland 2002. Selection of hotels and restaurants /. Sélection d’hôtels et de restaurant / Selkezione di alberghi e ristoranti / Auswahl an Hotels und Restaurants von Michelin als veraltetes Einzelstück wegwerfen muss. Clermont-Ferrand Januar 2002, aber in Deutschland bei Neef Stumme in Wittingen gedruckt. Teuer genug war dieser Führer, zu teuer für eine Ferienreise durch einen Ausschnitt des englischen Teils der britischen Inseln. Aber mir fällt dennoch meine Anglophilie wieder ein, die mich manchmal auch sanft auf das Essen blicken ließ, ohne unauslöschliche Erinnerungen zu hinterlassen.
1954 oder 1955 war ich zum ersten Mal in England, mit meinen Eltern in einer Pension Namens Rowberrow Manor in Somerset zwischen Wells und Weston-super-Mare. Mit einer Mutter und Tochter mussten wir Abends als wohlerzogene Kinder Canasta oder Rommé spielen, das Essen selbst hat uns nicht vergiftet, blieb aber vergesslich, ganz anders die Nachmittagstees in Wells und vor allem in Glastonbury, Sandwisches mit Sandwichspread, wahrscheinlich von Heinz, oder mit einem Salatblatt und zerkrümelten Cheddar und natürlich Scones und clotted cream und damals fraglos schmeckendem Tee. In den Mendip Hills allerdings gab es in einem niedrigen geweißten Bauernhaus einen Oberst (retired), der, ich glaube einen Pub aufgemacht hatte, aber auch ein einziges Gericht, nämlich Roast von tadellosen Rindern anbot. Es war wohl im Verlauf dieser Reise, dass wir auch zu Bekannten oder Freunden nach Devon fuhren, wo wir vieles uns fremde kennenlernten. Der Hausherr trug eine Jacke mit unendlich vielen Taschen, aus denen er entweder die Bücher zog, die er gerade las oder einen Flachmann. In der Bibliothek standen nicht nur die Kisten mit den Papieren der Reisenden der Familie, sondern in den Regalen auch die Werke und Ergüsse mehrerer Generationen der Familie seit mindestens dem 18. Jh. Die Essgewohnheiten waren ebenfalls sehr speziell. Keiner in unserer Kleinfamilie war daran gewöhnt, mit solcher Schnelligkeit das Essen herunterzuschlingen, und irgendwie verdammte der schnellste alle anderen, das Essen einzustellen. Aber es gab köstliche blaue Pflaumen im Speckmantel gegrillt – oder war das polnisch?
Wahrscheinlich im Jahr darauf spielte Bergljot auf dem Lande au pair und ich wohnte bei Ostrowskis in der Cathnor Road in Sheperds Bush, London. Die junge Frau Ostrowski, die einen Sohn ungefähr in meinem Alter hatte, war eine halbe oder viertel Norwegerin, sonst Engländerin, die den morgendlichen Teetopf bis spät Abends in einer wattierten Kiste warmhielt. Gefrühstückt habe ich bei Ostrowskis, aber an ein anderes Essen kann ich micht nicht erinnern. Ich kann mich aber an ein Essen mit Frau Dr. Hayit erinnern, die ihren Mann besuchte, der mit anderen an der SOAS an einem usbekisch-englischen Wörterbuch bastelte. Ich glaube, zuerst gingen wir ins Wellcome Medical Museum, wo sie über die dort ausgestellten Präparate in Begeisterungsstürme ausbrach, Lungen, Leber und andere Innereien, von den verschiedensten Krankheiten befallen, dann gingen wir gemeinsam in der Bakerstreet irgendwo essen, in der Erinnerung das schlechteste Essen, das ich je in England aß, einen in sich versunkenen Yorkshirepudding, eine trostlose Scheibe aus einer Lammkeule und suppiges Gemüse, das ich nur einmal später wieder erlebte in einer deutschen Kneipe in der Richard-Wagner-Straße in Köln. Allerdings gingen wir hinterher zu Madame Toussaud’s, das einzige Mal in meinem Leben.
Das nächste englische Ereignis war 1958, als ich mit Bergljot zur summer school in Exeter war, gerade alt genug, um draught oder lager trinken zu können, und die gesamte Belegschaft von Portugal über die Niederlande und die Schweiz nach Deutschland verschwendete voller Lust den Saladcream von Heinz. Ansonsten überlebten wir alle ohne Mühe, aber einmal mehr kaum erinnerungswürdig. Auf der anschließenden Zelttour mit Hervé in dessen Deux chevaux bis zu den Festspielen nach Edinburgh haben wir, wenn ich mich richtig erinnere, überwiegend mit dessen Campingausrüstung gelebt, schon allein, deshalb, weil wir von St. David bis Kyle of Lochalsh jedes Mal von neuem unser Geld zählten, ob es reiche, einen Abstecher nach Irland zu machen – bis heute nicht. Aber: Meine Eltern, die in England feriierten, sie bekamen eine Einladung in das Harbour Light in Hope Cove, Devon, geführt von zwei Damen die sich aus dem diplomatischen Dienst zurückgezogen hatten. Nach Auskunft meiner Mutter, die ich denke, etwas vom Essen verstand, wunderbar etwas einmal gegessenes nachkochen konnte und in ihrer Familie in Haugesund in den zwanziger Jahren eingeführt hatte, Leber nicht mehr drei oder mehr Stunden zu kochen und dann zu braten, meinte, es sei ein tadelloses und erinnerungswürdiges Essen gewesen. Ich war nicht dabei und habe vergessen, worüber sie insgesamt schwärmte.
1965 oder 1966 war ich dann wieder in England und wohnte bei Geoffrey MacBride in Woking, vorstädtisch und fuhren gemeinsam bis Waterloo Station, von wo er über die Themse zum Foreign Office und ich in eine der Querstraßen von Charing Cross Road zum Public Record Office eilten. Was das Essen anbelangt, sind mir zwei Dinge in Erinnerung geblieben. Geoffrey köpfte sein Frühstücksei und placierte ein ziemlich großes Stück Butter in das bloßgelegte Eigelb, und am Wochenede gingen wir in Woking einkaufen. Als uns zwei köstliche Steaks angeboten wurden, bat Geoffrey den Fleischer, das Steak nur an einem Ende festzuhalten, und dieses entrollte sich zu einem trostlosen Band sehr mittelmäßigen Fleisches. Selber aß ich regelmäßig einen passablen indischen Mittagstisch. Übrigens, auch Geoffrey war ein ziemlich guter, auf jeden Fall ein ambitionierter Koch, der zusammen mit seinem Sohn Shakespeares Sonette ins Deutsche übertrug. Seitdem weiß ich, dass der Phönix im Englischen weiblich ist, immer dieses unnütze Wissen.
Und wieder vergingen die Jahre bis 1971. Ich glaube die anderen kamen von Norwegen, ich von Deutschland nach Esbjerg, und wir begannen unsere Englandtour in Bjørns altem Volvo in East Anglia. Ich erinnere mich an ein Essen im Lord Nelson in Norwich, der nicht mehr im Michelin-Führer des Jahres 2002 erscheint. Einmal mehr weiß ich nicht, was wir gegessen haben, aber am Ende des Abends war ich ganz schön betüddelt. Als ich zum Chefkellner ging, um zu bezahlen, fragte er mich, wie es sich leider gehört, ob es geschmeckt habe. Ich beschwere mich selten und meinte nur, es sei ein wenig zu wenig gesalzen worden, worauf sich herausstellte, dass der Chefkellner ein Pole war, der in netter Weise über die Engländer herfiel: „Bei uns schmeckt unsere Mutter ab, damit das Essen richtig gewürzt ist. Die Engländer stellen Salz auf den Tisch, auf dass Du selber zusiehst, wie viel Du nimmst.“ Danach verkrümelte ich mich, wie bereits früher vermerkt, auf das Junior Sinologues-Treffen in Christ Church, Oxford und sollte die Familie später in Gloucester wieder treffen. Aus Oxford sind eben Owen Lattimore und Bodo Wiethoff – der stürmische deutsche Professor wegen Lin Biao – geblieben, außerdem – ich glaube im Café, aber kaum in der nicht erst durch Dorothy Sayers berühmt gewordenen Mitre, in der Lord Peter Wimsey abzusteigen pflegte, wenn..., die damals noch, heute aber nicht mehr besteht, sondern nur noch als drinking establishment bezeichnet wird. – der sympathische Bart von David Hawks, die angenehme Zurückhaltung von Glen Dudbridge, und nicht überall, aber auf vielen Steinstufen Rembrandt Wolpert. Wir haben bestimmt gegessen, aber geblieben ist davon nichts. Mit meinen Eltern hatte ich übrigens Oxford und The Mitre schon – Fragezeichen – 1956 besucht, kurz nachdem Chruschtschew und Malenkow dort gewesen waren und Chruschtschew den Epsteinschen Lazarus in der Kapelle von New College als Blasphemie empfunden hatte. Überhaupt wandelten wir auf den Spuren dieser beider Herren und mussten an einer Kreuzung der Bondstreet mit einer anderen Straße warten bis ihr Konvoi vorbeigesaust war. Jemand fragte den diensthabenden Polizisten: „Why didn’t you arrest them?“ „They didn’t stop long enough.“ Aber Epstein war immer wichtiger als die Politik und das seit Oscar Wildes Grabmal auf dem Père Lachaise, das den Mann heraus aus der leichten Muse endgültig nach Reading Gaol verbannte und daraus befreite und möglicherweise in Anlehnung an den Engel über der Kanzel in Bradford-on-Avon von etwa dem Jahrtausend. Diesen findet man, wenn nicht vor Ort, auf Tafel 38 in Johnstone, William, Creative Art in Britain from the Earliest Times to the Present. London: Macmillan & Co. Ltd. 1950. Auch sonst traf natürlich damals zu, was Mr. Johnstone insinuierte, dass nämlich der Kontinent allenfalls William Blake und John Constable kannte.
Nach den Junior Sinologues machte ich mich auf meinen Fußmarsch nach Westen durch die Cotswolds. Wo ich Station machte, daran kann ich mich nicht erinnern, nur, dass ich mehrere Wegweiser nach rechts zu Roman Villas links liegen ließ, weil ich vernünftiger Weise daran dachte, ich müsste schließlich auch die 1.5 oder 2 miles wieder zurückgehen. Allerdings ist Bibury in meiner Erinnerung geblieben wegen William Morris und der Arlington Mill mit ihrem Freilichtmuseum. Offensichtlich brauche ich solche touristischen Höhepunkte, um mich nach knapp vierzig Jahren überhaupt zu erinnern. Schande über mich! Irgendwo sah ich bei dieser Gelegenheit die später brieflich gekauften gesammelten Werke von Wildenwey. Damals auch nutzte ich die Gelegenheit, Forelle gebraten mit Mandeln jeden Abend, wenn ich mich irgendwo niederließ, zu testen. An dem Abend nach Bibury war sie nicht durchgebraten, und das Fleisch löste sich nicht von den Gräten, was eine etwas brummige Zustimmung der Kellnerin provozierte.
Ich weiß, dass ich auch in Cirencister Forelle aß. James Bond las The Traveller’s Tree von Patrick Leigh Fermor, wenn er sich über die Karibik kundig machen musste. Das musste ich bis heute nie, und daher las ich vom selben Autor in der Penguin Ausgabe The Violins of Saint-Jacques. A Tale of the Antilles mit bis heute fortbestehender Zuneigung zu dem Autor, den ich abgesehen von Mani und Rumeli und seiner Fußwanderung bis nach Istanbul dann überrascht, aber kaum merkwürdig, in Auberon Herbert. A Composite portrait, edited by John Jolliffe. Tisbury, Wilts.: Compton Russell. 2nd Impression 1977 auf den Seiten 50 bis 55 wiederfand. Warum das, weil ich dann später in weniger entspannter Zeit in Cirencister für 2 £ eine etwas schäbige Erstausgabe der Violinen erwarb. London: John Murray. Derek Verschoyle 1953, ein Exemplar aus Boots Booklovers Library, aus dem leider die Entleihkarte im hinteren Einbanddeckel herausgerissen worden ist. Diese Ausleihbibliothek bestand bis 1966 und wurde von der mir unbekannten Rachel E Theobald verewigt.
Von Cirencister gelangte ich weiter nach Gloucester, konnte eine weitere Kathedrale abhaken, so nachlässig oder auch lässig formuliert, weil meine persönlichen Eindrücke völlig verblasst sind und ich die kunsthistorischen Besonderheiten dieser Kathedrale nur der einschlägigen Literatur entnehmen könnte, anders als im Falle der Kathedralen von Wells und Winchester, Ely und York, die ich idiosynkratisch in Besitz genommen habe. Aber dafür gibt es The Tailor of Gloucester. From the original manuscript. Written and Illustrated by Beatrix Potter. London – New York: Fredrick Warne & Co. Ltd. 1969 (Reprinted 1970) mit Versen wie “And there I bought / A pipkin and a popkin, / A slipkin and a slopkin, /All for one farthing – / And upon the kitchen dresser!”, aber Beatrix Potter ist für mich – und allgemein – dann doch eher The Lake District.
Hier sammelten mich übrigens Bergljot, Bjørn und meine Mutter wieder auf, und wir verfolgten das Ziel, das man nicht ausschließlich, aber doch gern hat, wenn man schon in dieser Gegend ist. Früher wäre es die Wanderung Offa’s Dyke entlang gewesen, ausgerechnet mit The Shell Book of Offa’s Dyke Path. London: The Queen Anne Press aus W.1, 49-50 Poland Street,zu dem es im Impressum eigentlich reizend schamig (coyly?) heißt: „While the author [Frank Noble] is here expressing his personal views and opinions, Shell-Mex and B.P. Limited is pleased to be associated with his book“, entweder von Chepstow Castle oder von Llangollen, Orte die ich kurz 1958 aufgesucht hatte, jetzt war es das Örtchen Hay on Wye, das es zwar nicht schaffte, selbständig zu werden, aber dank Mr. Booth eine Bücherstadt geworden war, nachgemacht in Wunstorf und Damme – oder wer hatte das Erstgeburtsrecht? Zehn Jahre brauchte ich, um zum ersten Mal dorthin zu gelangen und habe es auch nur einmal mehr gemacht, u.a., weil ich 1972 in Oxford einen Hinterhof fand, in dessen angrenzenden Gebäuden die Doubletten aus den Colleges verramscht wurden, z.B. erwarb ich dort den Lexikonteil von Hirths Documentary Chinese, ein ziemlich nützliches Opus, wozu in Taiwan nur die Übungslektionen nachgedruckt worden waren.
Heute sieht die offizielle website bezüglich Buchhandlungen in Hay-on-Wye so aus:
Addyman AnnexeView our detail page
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Ashbrook Garage
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Backfold Books
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Bookends
01497 821572

Boz Books
01497 821277
Broad Street Antiques & Book Centre
01497 821919
C. Arden Bookseller
01497 820471

Castle Drive Books
Francis Edwards
01497 820071
Greenways Corner Bookshop
01497 820443
Hay Castle Books – Ich habe vergessen, wo es was gab, aber das Schema der Booth’s Bücherläden, einschließlich der entweihten Kirche, war so, dass die 10d Bücher zusammenstanden usw. Bis 1 oder 2£, erst dann wurde es ernster, indem man nicht jedes Buch mehr in die Hand nehmen musste, um zu sehen, ob es nicht vielleicht doch etwas war, das man unbedingt haben musste. Damals hatte ich den Eindruck einer übermächtigen Dominanz des Gin-Erben, während der Rest sich Nieschen suchte. Heute?
01497 820503
Hay Cinema Bookshop
01497 820071

Hay-on-Wye Books (Trade)
01497 820352
Hay-on-Wye Booksellers
01497 820382

HCB Wholesale (Trade)
01497 820333
Marijana Dworski BooksView our detail page
Language specialist: Grammars, dictionaries, linguistics, emphasis on the unusual.
Academic and travel books on Balkans, Russia, Eastern Europe, Central Asia with major collection on Russian Avant-Garde.
Monday to Friday 10am to 5pm.
By appointment or on-line only.
01497 820200

Mostly Maps.com
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Murder and MayhemView our detail page
Specialists in Detective Fiction, True Crime and Horror.
Mon - Sat 10.30am to 5.30pm. Some Sundays. Closed: 25th & 26th December and 1st January
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Pembertons (New Books)
Official Hay Festival Bookshop.
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Rose's BooksView our detail page
Specialists in rare and out-of-print Children's and Illustrated books.
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The Hay Book Company
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Tom's Record Shop
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Natürlich war es faszinierend und schön dort. Dieses erste Mal wohnten wir bed & breakfast bei zwei keltischen durchsichtigen rothaarigen Schönheiten, und neben diesen ist mir nur die Erinnerung geblieben an einen Atlas der walisischen Geschichte, den ich in diesem Moment nicht bibliographieren kann, weil er wahrscheinlich in einer Staubwischorgie verstellt worden ist. Natürlich war es mehr, aber ich musste auch Rücksicht nehmen darauf, dass die drei anderen so neugierig gar nicht waren, sondern eben nur nett zu mir. Ich kann mich nicht erinnern, wie wir weiter nach Norden gefahren sind, hinüber zur Küste oder doch durch das Land. Auf jeden Fall aber gelangten wir nach Anglesey. Bei dem Fischhändler in Menai Bridge kauften wir gekochten Hummer für ein Picnic mit Weißbrot und Weißwein auf der höchsten Erhebung über Holyhead. Der Fischhändler war im Krieg oder kurz danach in Norwegen gewesen und hatte dort eine Freundin zurückgelassen, von der seine Frau nie erfahren hatte. Bjørn wurde beiseite gezogen, eingeweiht und gebeten, Nachforschungen anzustellen. Hat er es getan? Aber das Picnic war erinnerungswürdig, und die Hummerschalen konnten späteren Ausgräbern Hinweise darauf geben, dass das Meer in unserer Zeit 200 m höher stand als tatsächlich – das punktuelle Wissen der Archäologen, es überdies natürlich eine plötzliche Erderwärmung gegeben habe, da die Hummer instantly erstickt und gekocht waren.
Abgesehen von einem kaputten Ventil in Manchester habe ich die Reise danach fast völlig aus den Augen verloren – not fair – wir schlenkerten einmal mehr bis nach York und schritten fast im Dunkel die Stadtmauer ab.
Ein schönes Englandjahr – oder doch teilweise Great Britain – war dann 1972, von dem ich im Zusammenhang mit Büchern immer mal wieder berichtet habe. Ich fuhr mit dem grünen Morris Midi oder einem etwas hellgrüneren Citroen – ich kann mich nicht mehr erinnern –, wohnte bei einem Pfarrer in einem kleinen Nest in Hants., von dem ich die Aussprache Sakidaides, die Anfangsgründe von Cockney und manches andere lernte, zu dem jedoch die Beziehungen sehr schnell abkühlten, als ich ihm aus Edinburgh eine Postkarte schickte mit der schottischen Ikone Rev. Robert Walker skating von Sir Henry Raeburn. Dort wohnte ich und fuhr zwei Monate nach London hinein zur SOAS, um das Archiv der London Missionary Society auszuschlachten, ein damals und ein paar Jahre vorher auch im damals noch am Victoria Embankment beheimateten Archiv der British and Foreign Bible Society akkumulierter, nur sehr sporadisch im Zusammenhang mit George Borrow und Manjurisch genutzter Fundus. Manches werfe ich, glaube ich, inzwischen durcheinander. War es in diesem Jahr, dass ich Geoffrey zum vorletzten Mal sah. Wir fuhren nach Oxford und punteten, wobei Geoffrey zu seinem und anderer Leute Vergnügen ins Wasser fiel. Klatschnass suchten wir eine seiner Freundinnen auf, die seine Kleider mühsam wieder trocken bügelte. Später kaufte Geoffrey einen Bungalow in Chichester, wo ich ihn das letzte Mal sah, verheiratet mit einem etwas dürren Wesen, so gar nicht seinem üppigen Ideal entsprechend, das er in Vigelandsanlegget in Oslo in Stein, Bronze und lebend genossen hatte. Er wollte in Chichester in der Nähe seines Segelboots leben, wenn er dann pensioniert wurde, und er fuhr jeden Tag etwa dreieinhalb Stunden nach London ins Foreign Office, mit dem Auto bis Petersfield und von dort mit dem Zug. Aus dem Pensionärsglück wurde nichts. Er starb schmerzhaft an Kehlkopfkrebs. Von seiner Frau, die immer nur irgendwie seine Frau blieb bekam ich 1976 zunächst anonym zugeschickt Virginia Woolf, Moments of Being. Unpublished Autobiographical Writings. Edited with an Introduction and Notes by Jeanne Schulkind. Published for the Sussex University Press by Chatto & Windus Ltd. 40 William IV Street, London WC2N 4DF [and] Clarke, Irwin & Co, Ltd, Toronto 1976. Dann aber – wie immer war ich schuldig – brach der Kontakt ab. Seinen Sohn Sheamus erlebten wir noch einmal Mitte der achtziger Jahre, als er uns auf der Durchreise nach Dessau zum Bauhaus in Berlin besuchte. Doch jetzt springe ich, obwohl ich immer noch im Jahre 1972 bin, in dem ich nach der SOAS Ferien bis nach Peterhead machte und mich nicht immer, aber sehr oft, die Forelle des Jahres 1971 ergänzend, ich denke ab Ely oder Wisbech durch Enten à l’Orange aß. Ich mochte das Schachbrettmuster von King’s Lynn und ließ mich weiter nach Norden fallen bis nach Boston, wo gerade der Jahrestag der Battle of Britain gefeiert wurde. Ich kletterte auf den höchsten Kirchturm einer englischen Gemeindekirche. Die Brüstung oben reichte mir bis an die Knie, unten tobte die Feier, und ich merkte, dass ich schwindlig wurde, kletterte vorsichtig hinunter und las unten ein erklärendes Schild, dass die Schwere des Turmes das Kirchenschiff auseinandergepresst habe. Seitdem kann ich nicht mehr hinuntergucken, ohne durchzudrehen. Aber inzwischen kenne ich seit dem vergangenen Jahr flüchtig auch das größere Boston, das seinen Namen begründet von hier genommen hat.
Zur eher flüchtigen Kathedralensammlung kam unterwegs auch Peterborough dazu, später Lincoln und zum dritten Mal York mit dem Glasfenster des einen Wurm aufpickenden Vogels und der Vorstellung eines überdachten Marktes, wenn die Stühle beiseite geräumt waren. Erst einmal an Edinburgh vorbei gelangte ich nach Aberdeen, dieser grauen Steinstadt bevor sie ein Zentrum der britischen Ölindustrie wurde. Dorthin begab ich mich, weil es an der Universität ein missionshistorisches Institut mit einem eigenen Newsletter gab, das mir auf meiner Schnitzeljagd nach Manjurischem jedoch bei allem Entgegenkommen eines Mannes, dessen Namen ich vergessen habe, nicht weiterhalf. Allerdings erinnere ich mich an das Kunststoffbettzeug bei einem professionellen bed & breakfast, wo es als Schlaftrunk einen Tee in der Gesamtgesellschaft aller Gäste und zweier Gastgeberinnen gab. In Peterhead, dem nördlichsten Punkt meiner Reise, umkreiste ich das Gefängnis in Erinnerung an schottische Kriminalromane von einem Autor Namens Black in den Goldmann-Taschenbüchern. In Edinburgh wurde ich dann eher komisch. Nicht nur konnte ich praktisch nur auf allen Vieren zu Arthur’s Seat hinaufkriechen, das war der Schwindel von Boston, der mich auch davon abhielt, später Mosaiken in Kilikien autoptisch wahrzunehmen, sondern vor Edinburgh besuchte ich unterhalb der Forth-Road-Bridge ein Schlösschen, in dem uns eine junge Dame in irgendwelche spezifischen Sticktechniken einführte, die keine Stickereien waren, sondern etwas, an das ich mich nicht erinnern kann, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war zu überlegen, wie ich sie zum Lunch einladen könnte, mich dann doch nicht traute und das Pech hatte, ihr sowohl in der National Gallery of Scotland (c.f. Raeburn u.a.) als auch mehrmals und nicht einmal beabsichtigt mit klappernden Holzpantinen auf der George Street zu begegnen. Zu dumm, in Edinburgh blieb ich dennoch allein, suchte das Archiv recht vergeblich auf, hatte aber ein ziemliches Vergnügen in der Bibliothek des New College, aber eher mit den Nachfolgern von Swan und Stallybrass als mit diesen. Gern hätte ich den Holzbuddha von Swan irgendwo entdeckt, in den man gegen einen Obolus einen Nagel einschlagen konnte (fund raising). Ich weiß nicht mehr, wieviele Tage und wo ich blieb. Abgesehen von der britischen Mission in Nordchina und der Mongolei, vergnügte ich mich mit einem Restaurant Namens Beehive, nicht mehr im Michelin des Jahres 2002, von der George Street aus irgendwo hinter der Zitadelle. Dort aß ich einmal vielleicht zu zivilisierten Haggis, so dass ich sagen kann, ich würde ihn wieder essen. Einmal hielt mir der Oberkellner meine scheinbare Jugend zu Gute, als ich mich erdreistete, etwas über den Fischgeschmack der Ente à l’Orange zu bemerken. Schließlich sei die Ente beste Qualität aus Polen. Da habe ich dann klein beigegeben.
Von Edinburgh überquerte ich den Hadrians Wall nach Süden, besuchte in Durham das sinologische Institut (Songzeitliche Musik plus Korea) und natürlich die Kathedrale, entdeckte bei mir eine übergroße Ähnlichkeit in Newcastle mit dem Lehrer aus L’emploi du temps, nahm an einem überaus stürmischen Nachmittag, als nur etwa 10% der Passagiere den Seegang vertrugen, die Fähre nach Oslo, las am windstillen nächsten Tag einen Dick Francis und gelangte am Abend nach Oslo. Das war der längste zusammenhängende Aufenthalt auf der britischen Hauptinsel, und an dieser Stelle habe ich die immer vergnüglichen Antiquariatsbesuche ausgelassen.

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