Hans-Joachim
Ziersch (1914-1995) wird vor allem aus zwei Gründen für würdig befunden,
Eintragungen im Internet zu bekommen. Dies geschieht zu 90% wegen seines
Engagements für und um die Stuck-Villa, zu 10%, weil er die Stringregale nach
Deutschland brachte, die auch die Wände des Jungmädchenzimmers meiner Schwester
verzierten. Zum Teil hat sie diese auch nach mehr als fünfzig Jahren noch,
obwohl sie sie nicht wieder kaufen würde, sondern genau wie ich inzwischen
standfestere Regalsysteme bevorzugt. Und dennoch: Sie besitzen eine Sympathie
weckende Leichtigkeit.
Auch
sein Geschäft – oder zumindest dessen Name – existiert noch in München, „Form
im Raum“, wenn auch nicht mehr in der Maximilianstraße, wohin sich meine Mutter
bei jedem München-Besuch, ein seltenes Mal sogar mit uns Kindern, begab, entweder,
um zu sehen, ob sie ihre Einrichtung ergänzen könne, oder, um Anregungen zu
bekommen, die sie dann in „unserem“ Rheinland verwirklichen wollte, oder auch
nur, um sich mit Ziersch auszutauschen, was auch bei Besuchen – oder nur einem?
– in Düsseldorf geschah. Angeblich wollte Ziersch meine Mutter für eine im Gesprächsstadium
befindliche Dependence in Wuppertal oder Düsseldorf gewinnen. Bei aller
Begeisterung meiner Mutter für dieses Metier, war sie zu sehr Familienmensch,
um sich in einer solchen Weise zu verpflichten. Abgesehen von „Form im Raum“ und
eklektischen Besuchen in Düsseldorfer und Wuppertaler Möbelgeschäften, in
Düsseldorf bei Rincklake van Endert (http://www.rincklake-van-endert.de/rve/historie/index15.htm),
eigenen Entwürfen, die zum Teil in unserem Esszimmer verwirklicht Platz fanden,
heute nur mehr in Gestalt eines einzelnen Stuhles, ursprünglich bezogen mit in
den fünfziger Jahren ach so moderner grüner strukturierter Plastik, die später
von einem samtartigen altrosa-farbenen Stoff abgelöst wurde, der jetzt als „Kleiderständer“
im Schlafzimmer dient, immer neuen Gesprächen mit dem Lampenbauer Overzier, von
dem meine Mutter nicht nur mit Stolz berichtete, dass er auch Adenauer
beliefere, sondern mit dem sie auch die Lampen unserer Wohnung durchhechelte
bzw. entwarf, so einen „Sternenhimmel“ (nicht unähnlich dem „Night Sky“, einer
laut Internet Designerlampe von Paul Neuhaus) unter der Decke unseres
Wohnzimmers, der einige Umzüge erlebte und schließlich bei einem inzwischen
verstorbenen Freund in Berlin endete und damit meinen Blicken entschwand;
abgesehen von diesen blieben wir 1955 mehrere Tage in Helsingborg, wohnten in
dem damals so progressiven Fleninge Motel (Fleninge Classic
Motel, Sveriges äldsta motell, från 1954 och ritat av arkitekten Gustaf
Birch-Lindgren. Det finns 24 rum i en vackert belägen byggnad från 50-talet. http://www.motellhelsingborg.se/om_oss.htm,
http://grandprix63.blogspot.de/2011/10/fleninge-motell.html,
http://hd.se/noje/2007/08/11/fleninge-motell-revisited/), das wir bis
1966 auf jeder Norwegenreise als Etappenziel nutzten, um wirklich gründlich die
H55 (http://sv.wikipedia.org/wiki/H55-utställningen)
wahrzunehmen, mit dem Ergebnis einer großen Begeisterung für die damals moderne
japanische Einrichtung. Auf Seite 20 der heutigen Sonntagsausgabe der
Frankfurter Allgemeinen vom 23.12.2012 gibt es einen länglichen Artikel von
NiklasMaak, „Ungewohnte Nähe. Die heilige Kleinfamilie gibt es nicht mehr:
Japanische Architekten bauen Häuser für die Zukunft“. Dies weckte die
Erinnerung an den Aufbruch im Innenraum auf der H55 und an ein vieljähriges
Abonnement der Zeitschrift „Form“, herausgegeben von Svenska Slöjdforeningen. Doch,
wir waren ziemlich Zierschisch eingerichtet, wohl auch mit einigen seiner
eigenen Entwürfe, in denen er gern Metall und Holz oder Holz und Kunststoff
verarbeiten ließ. Das waren einmal unsere Bücherregale, die zwischen der Trägerkonstruktion
aus schwarz lackierten Eisenstangen naturbelassene Bretter hielten. Diese wurden
nach dem Tode meiner Mutter 1991 von einem norwegischen Bekannten übernommen.
Das waren zum anderen drei schmale Kleiderschränke, die – eine Fehlkonstruktion
– als Seitenstützen für Regalbretter dienten. Daher wurden sie bald von diesem
Funktionsauftrag befreit. Die Schränke allerdings mit schwarz gebeizten
Seitenwänden, die in der Frontansicht einen schmalen schwarzen Rahmen bildeten,
vertikal geteilten Türen, vier Mal naturbelassen (Esche?), zweimal mit Resopal
beschichtet, einmal oben blau, einmal unten rot, wurden von mir geliebt, und
ich enteignete meine Mutter. Jetzt hat meine Tochter sie übernommen, die die
Schränke zwar mag, aber am Telephon maulte, dass sie für ihren H&M-Fundus
und anderes zu klein und unhandlich seien, da die Kleiderstange von vorn nach
hinten führt und herausgezogen werden muss, wenn man an die verstecktere
Garderobe gelangen will. Positiv wiederum kann man anmerken, dass sie im
Gegensatz zu einer Schrankwand nicht erdrücken und disponibel sind.
Eine
intensivere Beziehung zu Ziersch ergab sich für einige Zeit, als meine Mutter
aufgrund einer alten Bekanntschaft aus Kriegs- und Nachkriegszeit mit Fuad
Emircan, der irgendwann in den späten fünfziger Jahren entweder türkischer Presse-
oder Kulturattachée in Bonn wurde, die dafür vorgesehenen Räume einrichten
durfte. Wie die Räume schließlich nach den Ideen meiner Mutter und mit den
Möbeln von Ziersch aussahen, daran kann ich mich nicht erinnern, hängen
geblieben sind jedoch zwei unterschiedliche Erinnerungen. Meine Mutter wollte
das obligatorische Photo von Atatürk vermeiden und verhandelte mindestens mit
Emircan, wenn nicht gar mit anderen, ob man nicht stattdessen eine Kopie der Totenmaske im Konferenzraum
aufhängen könne. Das Ergebnis dieser Geschichte kenne ich nicht mehr.
Die
zweite leider nur vague Erinnerung ist eine kleine Textilfabrik in der Nähe von
oder in Wassenaar, zu der uns Ziersch geführt hatte und wo wir vom Besitzer,
einem älteren, etwas herben, aber überaus kundigen Herrn, die kleine Fabrik und
die Musterkollektion gezeigt bekamen. Zufrieden erzählte er, wie er mit einem
Musterkoffer zunächst von I[nnen]D[ekoration] in Düsseldorf abgewimmelt wurde,
eben diese aber, als er den Koffer dennoch geöffnet hatte, für Deutschland die
Alleinvertretung haben wollten. Von hier stammten schließlich die Vorhänge in
dem türkischen Büro, aber auch für zu Hause kaufte meine Mutter mehrere Muster,
bewahrt ist allerding nur noch ein Aktenordner, den meine Schwester mit einem
Stoffrest des Appel-Musters überzog und den ich jetzt für Personalia benutze.
Auch nach mehr als fünfzig Jahren ist der Stoff nicht ausgebleicht. Als wir uns
schon verabschiedet hatten, um zu dem von ihm für uns reservierten Hotel
Duinoord zu fahren, kam er hinterher und fragte, ob wir sein eigenes Haus sehen
wollten. Es war ein altes Bauernhaus mit weiß gekalkten Wänden, seinen eigenen
Stoffen und recht vielen eindrucksvollen Memorabilien aus Indonesien. Manchmal
bedaure ich, dass wir solche Kontakte nicht gepflegt haben oder nicht wenigstens
Notizen gemacht haben, um auch später zu wissen, was für einen großartigen Mann
wir bei dieser Gelegenheit getroffen hatten.
Meine
eigene Beziehung zu den Zierschs beschränkt sich auf eine allerdings recht
gründliche Wahrnehmung der „Illustrierte[n] Kinderbücher aus drei Jahrhunderten“
von Amélie Ziersch.
Als ich diese Notizen machte, fiel mir erst fünf Minuten danach ein, dass ich seit mehr als vierzig Jahren meist an einem dänischen Tisch - leicht irreguläres (organ isches) rechteckiges Tischblatt aus Teakholz zusammengesetzt auf vier schwarz lackierten schlanken Beinen jeweils aus einer gebogenen Eisenstange - arbeite und döse, der von Ziersch stammt und eine Art Honorar für die Einrichtung von einem Teil der türkischen Botschaft war. Unter ergonomischen Gesichtspunkten sind die Beine einen Tick zu kurz.
Als ich diese Notizen machte, fiel mir erst fünf Minuten danach ein, dass ich seit mehr als vierzig Jahren meist an einem dänischen Tisch - leicht irreguläres (organ isches) rechteckiges Tischblatt aus Teakholz zusammengesetzt auf vier schwarz lackierten schlanken Beinen jeweils aus einer gebogenen Eisenstange - arbeite und döse, der von Ziersch stammt und eine Art Honorar für die Einrichtung von einem Teil der türkischen Botschaft war. Unter ergonomischen Gesichtspunkten sind die Beine einen Tick zu kurz.