Sonntag, 23. Dezember 2012

Einrichtungen



Hans-Joachim Ziersch (1914-1995) wird vor allem aus zwei Gründen für würdig befunden, Eintragungen im Internet zu bekommen. Dies geschieht zu 90% wegen seines Engagements für und um die Stuck-Villa, zu 10%, weil er die Stringregale nach Deutschland brachte, die auch die Wände des Jungmädchenzimmers meiner Schwester verzierten. Zum Teil hat sie diese auch nach mehr als fünfzig Jahren noch, obwohl sie sie nicht wieder kaufen würde, sondern genau wie ich inzwischen standfestere Regalsysteme bevorzugt. Und dennoch: Sie besitzen eine Sympathie weckende Leichtigkeit.
Auch sein Geschäft – oder zumindest dessen Name – existiert noch in München, „Form im Raum“, wenn auch nicht mehr in der Maximilianstraße, wohin sich meine Mutter bei jedem München-Besuch, ein seltenes Mal sogar mit uns Kindern, begab, entweder, um zu sehen, ob sie ihre Einrichtung ergänzen könne, oder, um Anregungen zu bekommen, die sie dann in „unserem“ Rheinland verwirklichen wollte, oder auch nur, um sich mit Ziersch auszutauschen, was auch bei Besuchen – oder nur einem? – in Düsseldorf geschah. Angeblich wollte Ziersch meine Mutter für eine im Gesprächsstadium befindliche Dependence in Wuppertal oder Düsseldorf gewinnen. Bei aller Begeisterung meiner Mutter für dieses Metier, war sie zu sehr Familienmensch, um sich in einer solchen Weise zu verpflichten. Abgesehen von „Form im Raum“ und eklektischen Besuchen in Düsseldorfer und Wuppertaler Möbelgeschäften, in Düsseldorf bei Rincklake van Endert (http://www.rincklake-van-endert.de/rve/historie/index15.htm), eigenen Entwürfen, die zum Teil in unserem Esszimmer verwirklicht Platz fanden, heute nur mehr in Gestalt eines einzelnen Stuhles, ursprünglich bezogen mit in den fünfziger Jahren ach so moderner grüner strukturierter Plastik, die später von einem samtartigen altrosa-farbenen Stoff abgelöst wurde, der jetzt als „Kleiderständer“ im Schlafzimmer dient, immer neuen Gesprächen mit dem Lampenbauer Overzier, von dem meine Mutter nicht nur mit Stolz berichtete, dass er auch Adenauer beliefere, sondern mit dem sie auch die Lampen unserer Wohnung durchhechelte bzw. entwarf, so einen „Sternenhimmel“ (nicht unähnlich dem „Night Sky“, einer laut Internet Designerlampe von Paul Neuhaus) unter der Decke unseres Wohnzimmers, der einige Umzüge erlebte und schließlich bei einem inzwischen verstorbenen Freund in Berlin endete und damit meinen Blicken entschwand; abgesehen von diesen blieben wir 1955 mehrere Tage in Helsingborg, wohnten in dem damals so progressiven Fleninge Motel (Fleninge Classic Motel, Sveriges äldsta motell, från 1954 och ritat av arkitekten Gustaf Birch-Lindgren. Det finns 24 rum i en vackert belägen byggnad från 50-talet. http://www.motellhelsingborg.se/om_oss.htm, http://grandprix63.blogspot.de/2011/10/fleninge-motell.html, http://hd.se/noje/2007/08/11/fleninge-motell-revisited/), das wir bis 1966 auf jeder Norwegenreise als Etappenziel nutzten, um wirklich gründlich die H55 (http://sv.wikipedia.org/wiki/H55-utställningen) wahrzunehmen, mit dem Ergebnis einer großen Begeisterung für die damals moderne japanische Einrichtung. Auf Seite 20 der heutigen Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen vom 23.12.2012 gibt es einen länglichen Artikel von NiklasMaak, „Ungewohnte Nähe. Die heilige Kleinfamilie gibt es nicht mehr: Japanische Architekten bauen Häuser für die Zukunft“. Dies weckte die Erinnerung an den Aufbruch im Innenraum auf der H55 und an ein vieljähriges Abonnement der Zeitschrift „Form“, herausgegeben von Svenska Slöjdforeningen. Doch, wir waren ziemlich Zierschisch eingerichtet, wohl auch mit einigen seiner eigenen Entwürfe, in denen er gern Metall und Holz oder Holz und Kunststoff verarbeiten ließ. Das waren einmal unsere Bücherregale, die zwischen der Trägerkonstruktion aus schwarz lackierten Eisenstangen naturbelassene Bretter hielten. Diese wurden nach dem Tode meiner Mutter 1991 von einem norwegischen Bekannten übernommen. Das waren zum anderen drei schmale Kleiderschränke, die – eine Fehlkonstruktion – als Seitenstützen für Regalbretter dienten. Daher wurden sie bald von diesem Funktionsauftrag befreit. Die Schränke allerdings mit schwarz gebeizten Seitenwänden, die in der Frontansicht einen schmalen schwarzen Rahmen bildeten, vertikal geteilten Türen, vier Mal naturbelassen (Esche?), zweimal mit Resopal beschichtet, einmal oben blau, einmal unten rot, wurden von mir geliebt, und ich enteignete meine Mutter. Jetzt hat meine Tochter sie übernommen, die die Schränke zwar mag, aber am Telephon maulte, dass sie für ihren H&M-Fundus und anderes zu klein und unhandlich seien, da die Kleiderstange von vorn nach hinten führt und herausgezogen werden muss, wenn man an die verstecktere Garderobe gelangen will. Positiv wiederum kann man anmerken, dass sie im Gegensatz zu einer Schrankwand nicht erdrücken und disponibel sind.
Eine intensivere Beziehung zu Ziersch ergab sich für einige Zeit, als meine Mutter aufgrund einer alten Bekanntschaft aus Kriegs- und Nachkriegszeit mit Fuad Emircan, der irgendwann in den späten fünfziger Jahren entweder türkischer Presse- oder Kulturattachée in Bonn wurde, die dafür vorgesehenen Räume einrichten durfte. Wie die Räume schließlich nach den Ideen meiner Mutter und mit den Möbeln von Ziersch aussahen, daran kann ich mich nicht erinnern, hängen geblieben sind jedoch zwei unterschiedliche Erinnerungen. Meine Mutter wollte das obligatorische Photo von Atatürk vermeiden und verhandelte mindestens mit Emircan, wenn nicht gar mit anderen, ob man nicht stattdessen eine Kopie der Totenmaske im Konferenzraum aufhängen könne. Das Ergebnis dieser Geschichte kenne ich nicht mehr.
Die zweite leider nur vague Erinnerung ist eine kleine Textilfabrik in der Nähe von oder in Wassenaar, zu der uns Ziersch geführt hatte und wo wir vom Besitzer, einem älteren, etwas herben, aber überaus kundigen Herrn, die kleine Fabrik und die Musterkollektion gezeigt bekamen. Zufrieden erzählte er, wie er mit einem Musterkoffer zunächst von I[nnen]D[ekoration] in Düsseldorf abgewimmelt wurde, eben diese aber, als er den Koffer dennoch geöffnet hatte, für Deutschland die Alleinvertretung haben wollten. Von hier stammten schließlich die Vorhänge in dem türkischen Büro, aber auch für zu Hause kaufte meine Mutter mehrere Muster, bewahrt ist allerding nur noch ein Aktenordner, den meine Schwester mit einem Stoffrest des Appel-Musters überzog und den ich jetzt für Personalia benutze. Auch nach mehr als fünfzig Jahren ist der Stoff nicht ausgebleicht. Als wir uns schon verabschiedet hatten, um zu dem von ihm für uns reservierten Hotel Duinoord zu fahren, kam er hinterher und fragte, ob wir sein eigenes Haus sehen wollten. Es war ein altes Bauernhaus mit weiß gekalkten Wänden, seinen eigenen Stoffen und recht vielen eindrucksvollen Memorabilien aus Indonesien. Manchmal bedaure ich, dass wir solche Kontakte nicht gepflegt haben oder nicht wenigstens Notizen gemacht haben, um auch später zu wissen, was für einen großartigen Mann wir bei dieser Gelegenheit getroffen hatten.
Meine eigene Beziehung zu den Zierschs beschränkt sich auf eine allerdings recht gründliche Wahrnehmung der „Illustrierte[n] Kinderbücher aus drei Jahrhunderten“ von Amélie Ziersch.
Als ich diese Notizen machte, fiel mir erst fünf Minuten danach ein, dass ich seit mehr als vierzig Jahren meist an einem dänischen Tisch - leicht irreguläres (organ isches) rechteckiges Tischblatt aus Teakholz zusammengesetzt auf vier schwarz lackierten schlanken Beinen jeweils aus einer gebogenen Eisenstange - arbeite und döse, der von Ziersch stammt und eine Art Honorar für die Einrichtung von einem Teil der türkischen Botschaft war. Unter ergonomischen Gesichtspunkten sind die Beine einen Tick zu kurz.

http://spiegel.ivwbox.de/cgi-bin/ivw/CP/1333;/spiegel/print/c-9/r-5093/be-PB64-c3BpZWdlbC9hcnRpa2Vs/szwprofil-1333?r=http%3A//www.google.de/url%3Fsa%3Dt%26rct%3Dj%26q%3Dhans%2520joachim%2520ziersch%26source%3Dweb%26cd%3D1%26ved%3D0CC8QFjAA%26url%3Dhttp%253A%252F%252Fwww.spiegel.de%252Fspiegel%252Fprint%252Fd-46106654.html%26ei%3D4u-sUO3HOorRsga0k4DoBA%26usg%3DAFQjCNFtxYPsqt0cgNLFecPLQZGqKq2lUg&d=66823.92493552982