Hens,
Gregor, Nikotin. Fankfurt am Main: S.
Fischer 2011, ein Büchlein, nicht zerlesen und auch nicht dafür verfügbar, da
nicht mir gehörend.
http://www.perlentaucher.de/buch/gregor-hens/nikotin.html.
Warum sich dann noch äußern? Die Rezensenten bescheinigen, ohne sich zu
überschlagen dem Autor Witz und Intelligenz. Meine Tochter, die als Raucherin
mir als fast ehemaligem Raucher das Büchlein aus eben diesen Gründen empfahl,
wird mir verzeihen, dass ich die Intelligenz trotz Rauchens bestätige, den Witz
vergeblich gesucht habe, vielleicht, weil Rauchen nicht eigentlich witzig ist.
Bei Svevo ist manches witzig, und wenn es seine Eindrücke von London sind.
Fünf scheint
ein geeignetes Initiationsjahr zu sein, ich glaube dies trifft auch für mich
zu, vielleicht war ich aber doch schon sechs, als ich Herrn Stanke die Pfeife
mit selbstgezogenem Tabak stopfen und sie überdies noch entzünden durfte. Herr
Stanke war mit Gartenarbeit beschäftigt, aber es war wohl nicht der warme
Sommertag, an dem er eine Kreuzotter mit dem Spaten köpfte, und konnte seine
Pfeife nicht übernehmen. Zur Strafe musste er wenig später auf dem Wege nach
Detmold mehrfach anhalten, damit ich mich ebenso mehrfach übergeben konnte.
Heilsam war diese Lehre nicht, da ich offensichtlich genetisch vorbelastet war
und bin, allerdings habe ich es nie geschafft, in eine Kloschüssel hinein zu
rauchen und wurde stattdessen, mit ungefähr achtzehn, ohne Schuldbewusstsein
zum Direktor Neunheuser zitiert und belehrt: „Ein Schüler des Görresgymnasiums
raucht nicht auf der Straße.“ Darauf folgte eine recht eitle Phase, deren
Beschreibung ich mir jedoch erspare. Dazu gehörten allerdings recht regelmäßige
Besuche in einem Tabakgeschäft auf der Breite Straße, wo ich mir alles mögliche
empfehlen ließ, zwei Pfeifen, die ich nie richtig einrauchte, Tabak, den ich
vergessen habe, wenn man davon absieht, dass ich als Beimischung auch gepressten
Latakia erwarb – und, um mich von der Pfeife zu erholen Zigaretten der Marken
Gold Flake oder Senior Service, für meine Mutter entweder die Benson &
Hedges in der roten Blechdose oder vielfarbige Damenzigaretten, deren Namen ich
ebenfalls vergessen habe, die vielleicht so etwas wie „Aroma“ hießen. Wenn man
davon absieht, dass ich gelegentlich Players von meinem Vater schnorrte, denen
David Garnett 1925 mit The Sailor’s
return ein in der Größe angemessenes Denkmal erschrieb, gelangte ich recht
früh und schnell nach den die Finger bräunenden Will’s Woodbine und den Austria
3ern, beide in neutraler leicht grünlicher Verpackung, zu meiner Standardsorte,
den filterlosen Roth-Händle, die mit Vergnügen gelegentlich gegen Gitanes eingetauscht wurden.
Die spanischen Celtas und italienischen Nazionali hätten mich, wäre ich jeweils
länger in ihren Ländern geblieben, ziemlich sicher vom Rauchen entwöhnen
können, nicht aber die griechischen Korona, die erstens rund und nicht
flachgedrückt waren und, glaube ich, 1960 zehn Drachmen die Schachtel kosteten,
für griechische Verhältnisse damals eine eher teure Marke. Vielleicht wegen der
Gesellschaft habe ich diese Marke in aller bester Erinnerung. Mein schönstes
Zigarettenerlebnis hatte ich aber im Sommer 1984 in der Türkei, genauer in
Erzurum. Als eifriger Bafra-Raucher, damals etwas mehr als 1 Pfennig das Stück,
bekam ich diese nicht im fernen Osten der Türkei, dafür aber eine ähnlich
billige Sorte, die filterlose Bitlis. Einen milderen – und mir fehlen die Worte
– erfrischenderen Tabak habe ich nie geraucht, und wie enttäuscht war ich, als
es dann wenig später in der ganzen Türkei eine elegant aufgemachte
Filterzigarette mit diesem Namen gab, weiter ging die Ähnlichkeit nicht. Dafür
schwärmen aber viele türkische Selbstdreher bzw. alle, die ich kenne, heute für
den Bitlis-Tabak. Die Türkei war übrigens abgesehen von anderen Dingen, auch
für Raucher geographisch ein gefährliches Pflaster. Mein Vater wurde dort mit
gut fünfundzwanzig Jahren zu einem späten Großraucher, weil seine rauchenden
deutschen Begleiter ihr Vergnügen aus der gemeinsamen Reisekasse befriedigten.
Durch die
Studentenjahre habe ich mich mit Hilfe vieler tausender Schwarzer
Krauser-Zigaretten gerettet, gegen Ende des Monats hergestellt aus aufbewahrten
Kippen, aber ich lebe immer noch. Über Zigaretten ließe sich endlos, doch
abgesehen von der angenehmen Selbstbefriedigung kaum leichtfertig amüsant
schreiben, über den unberechenbaren Funkenflug und den in seinen Konsequenzen
berechenbaren Schlaf mit einer brennenden Zigarette ausgerechnet im bereits
erwähnten Griechenland.
Es gibt
überwiegend schöne Erinnerungen ans Rauchen, auch wenn ich immer eher
Zigaretten als Pfeife oder Zigarre rauchte. Nach Aussagen meines Klassenlehrers
am Görresgymnasium, der gelegentlich Zigarre rauchte, der die Welt immer wieder
in Ordnung bringen wollte und den leicht asymetrischen „schiefen“ Turm der
Lamberti Kirche aus seiner geordneten Dürener Perspektive als Zeichen
Düsseldorfer Unordnung interpretierte, rauchten nur Sozis Zigaretten, Konservative
Zigarren und Pfeife die Liberalen, und er übersah dabei die unpolitischen Bürger.
Das war eine
lange Abschweifung hin zu einer eigentlich intendierten hommage an Paul
Ingendaay, dessen Beiträge in der FAZ und nicht nur aus Spanien und vom
spanischen Fußball, sondern auch in der seltenen Literaturbeilage, mir fast
ausnahmslos Vergnügen bereiten. Vor einigen Monaten oder doch Jahren ? (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/2.1781/im-katholischen-internat-die-stille-hinter-den-mauern-1970449.html),
damals mir der Bedeutung noch nicht klar, schrieb mit Assoziationen in Richtung
Odenwaldschule Paul Ingendaay über sein eigenes Internat (Das Collegium Augustinianum Gaesdonck ist
ein staatlich anerkanntes bischöfliches Gymnasium des Bistums
Münster mit Internat für katholische Mädchen und Jungen. Es liegt
am Niederrhein (bei Goch, im Kreis Kleve)
und wird seit über 150 Jahren mit der Bildung und Ausbildung junger Menschen
betraut. http://de.wikipedia.org/wiki/Collegium_Augustinianum_Gaesdonck)
spannungsreich genug, aber doch diskret und um so lohnender. Auf diese Weise kenne ich jetzt zwei Namen aus der langen Liste berühmter Schüler dieser Schule.