Erskine Caldwell
Die beiden Bändchen, die sich von ihm im Hause finden, sind bis vor einer
Woche zumindest nicht von mir zerlesen worden, es mag einfach der Zahn der Zeit
sein, der an diesen Paperbacks genagt hat.
Dies sind A
house in the uplands, ursprünglich erschienen 1946, in meinem Falle jedoch
„published as a Signet book (...) Seventh printing, May 1949“ und a Journeyman (ursprünglich Viking Press 1935 - 193 Seiten), in
meinem Falle jedoch published by The
Albatross, Leipzig – Paris – Bologna, March 1939, gedruckt in Deutschland (The
Albatross Modern Continental Library, Volume 397) mit gelbem Umschlag, das
äußere Kleid angeblich psychologischer Romane und Essays. Der eigentliche Text
endet mit der Information: „This edition is composed in Garamond type cut by
the Monotype Corporation. The paper is made by the Bautzen Papermill. The
printing and the binding are the work of Oscar Brandstetter Leipzig“, und dann
folgen acht unpagnierte Seiten mit Verlagsankündigungen. Davon listen zwei
Seiten Texte aus The Albatross Modern Continental Library auf, die Reisen
enthalten oder fremde Völker beschreiben:
Bloomfield, P. & M., The traveller’s companion (Nr. 21)
[Europa]
Bromfield, Louis, The farm (226*) [U.S.A.]
Conrad, Joseph, The arrow of gold (33) [Spain]
Conrad, Joseph, The mirror of the sea (305) [Life at sea]
Duguid, Julian, Tiger-man (54) [Brazil]
Duguid, Julian, A cloak of monkey fur (316) [The Argentine]
Fallas, Carl, The wooden pillow (296) [Japan]
Forster, E.M., A pasage to India (96) [India]
Hobart, Alice T., River supreme (273) [China]
Huxley, Aldous, Beyond the Mexique bay (269) [Central America]
Lewis, Sinclair, Mantrap (3) [Canada]
Lewis, Sinclair, Free air (39) [U.S.A.]
Lucas, E.V., A wanderer in Paris (330*) [France]
MacDonald, Philip, Patrol (294) [The desert]
Masefield, John, The bird of dawning (214) [Life at sea]
Miller, Caroline, Lamb in his bosom (253) [U.S.A.]
Nesbitt, L.M., Abyssinia unveiled (287*) [Abyssinia]
Prokosch, Frederic, The Asiatics (310) [The Orient]
Seabrook, W.B., The magic island (15) [Haiti]
Smith, Wallace, The captain hates the sea (229) [Pacific Ocean]
Stark, Freya, The southern gates of Arabia (323) [Arabia]
Waln, Nora, The house of exile (99) [China]
Waugh, Alec, Wheels within wheels (85) [U.S.A.]
Waugh, Evelyn, Black mischief (59) [Arabia]
Wilder, Thornton, The bridge of San Luis Rey (29) [Peru]
Wyndham, Richard, The gentle savage (327) [Africa]
Yurlova, Marina, Cossack girl (242) [Russia]
Nicht kennen tu ich die Autoren
Bloomfield, Duguid, Fallas, Lucas, MacDonald, Miller, Nesbitt, Prokosh,
Seabrook, Smith und Yurlova, aber wirklich gelesen habe ich in anderen Ausgaben
nur A Passage to India in der ersten Penguin Ausgabe vom Januar 1946
(New York: Penguin Books 574) – übrigens wird es auf der sechsten Seite
ausführlicher beschrieben, wo es mit zwei mir unbekannten Büchern von F.
Yeats-Brown, Lancer at large und Bengal lancer (beides
Tauchnitz-Bändchen, Nrn 5277, 5289) gepaart wird – auch der Band von Freya
Stark wird auf der siebten Seite ausführlicher angepriesen und u.a. mit
Doughtys Arabia deserta verglichen,
Alice T. Hobart und Nora Waln eher nolens volens in Exemplaren aus öffentlichen
Bibliotheken, The bird of dawning ohne
Schutzumschlag in der Erstausgabe London: Heinemann 1933, die ich im September
1970 bei Cappelen in Oslo für 6 Kronen erwarb, Black mischief, das ich verlegt habe und wahrscheinlich in einer
Penguin-Ausgabe las und schließlich während meiner Schulzeit schon auf Deutsch
allerdings The bridge of San Luis Rey.
Auf den Seiten drei und vier werden
einmal The Albatross Book of American Short Stories. Extra Volume.
Silver Covers (276*), zum anderen The
Albatross Book of Short Stories.
First English Series. Extra Volume. Silver Covers (100*) annonciert. Von den
siebzehn amerikanischen Autoren sind mir zehn nicht bekannt, von den vierzehn
englischen zwei, wobei ich mich als bedingungsloser Laie frage, ob Autoren wie
Walter de la Mare, John Galsworthy oder J.B. Priestley heute noch gelesen
werden.
Seite fünf ist ausschließlich vier
Büchern Eric Linklaters gewidmet mit einem Auszug und einem sternförmig
angeordneten Gedicht (What I see and what I hear, Are meat and drink but not so
dear: What I write and what I think, Are sometimes only wind and stink) aus dem
von mir nie gelesenen Ripeness is all (298)
und das von einem der Protagonisten namens Stephan als „just a shade too clever
to be really good“ charakterisiert wird. Die weiteren drei Titel sind Juan in America (89*, Magnus Merriman (238) und Juan in China (377), von denen ich
tatsächlich amüsiert nur die beiden „Juan“-Bücher gelesen habe, allerdings bei
Penguin, noch in ähnlich schlichten Ausgaben wie die Albatross Books in Weiß
und Rot. Noch mehr gefallen haben mir die beiden Kinderbücher von Eric
Linklater, The wind on the moon von
1944 und The pirates in the deep green
sea von 1949, die ich als Puffin-Publikationen von 1972 und 1974 als
Erwachsener mit Vergnügen gelesen habe.
Die achte Seite schließlich
annonciert drei Veröffentlichungen des mir bis zum heutigen Tag unbekannten
Paul de Kruif
(http://www.tauchnitzeditions.com/albatross.htm (daraus folgendes Zitat: „Within two years of its
launch, Albatross had effectively defeated Tauchnitz as a commercial rival.
Tauchnitz was put up for sale, and but for one crucial factor, would have been
completely taken over by Albatross. However the Nazi party was by then in power
in Germany and the takeover of Tauchnitz by a Jewish-owned firm was not
politically acceptable. There was therefore an arrangement for Tauchnitz to be
bought by Oscar Brandstetter, its main printer, with all editorial control handed
over to Albatross. From 1934 on, the Tauchnitz and Albatross series were
effectively managed jointly. There were undoubtedly some difficulties in terms
of what could be published in Nazi Germany, and some personal difficulties for
both Kurt Enoch, who as a Jew was effectively forced to emigrate, and John
Holroyd Reece, who had a Jewish father. However it was still a period of
success for the two series, viewed together, that continued until the
declaration of war in 1939.) und verschiedene Seiten zu Mathias Wegner. Den
Artikel von Karl H. Pressler, „Tauchnitz
und Albatross. Zur Geschichte des Taschenbuches“, in: Aus dem
Antiquariat, Heft 1, München 1985 habe ich nicht eingesehen. Auf diese
Weise habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, welche Rolle die
Albatross-Bücher in der Zeit des Nationalsozialismus spielen konnten. Die dort
publizierten Autoren waren in den allermeisten Fällen, dies gilt auch für
Erskine Caldwell, kaum „linientreu“ zu nennen. Allein bei Judith Claudia Joos, Trustees for the public? Britische
Buchverlage zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Wiesbaden: Harrassowitz,
erscheint in einer Anmerkung ein Brief an Allan & Unwin von John Holroyd
Reece bezüglich der Verlagssituation in Deutschland.
Abgesehen
von dem Caldwell stammen aus der Vorkriegszeit in meinem Fundus
Lehmann,
Rosamond, Dusty Answer. Third
impression 1937 (26) und Sitwell, Edith, I
live under a black sun. 1938 (368). Diese drei Bände sind bei Oscar
Brandstetter, Leipzig gedruckt. Ebenfalls aus der Noch-Vorkriegszeit sind The waves von Virginia Woolf 1939,
jedoch bereits gedruckt bei der Stamperia Valdónega in Verona. Ein weiteres
Stapelchen stammt aus den Jahren 1947 bis 1950.
Zunächst
erscheinen als Verlagsorte London und Paris, dann Rom, wobei die offensichtlich
etwas älteren Bände (die Nrn. 550 und 571) bei A.W. Sijthoff’s Uitgevers Mij
N.V. in Leyden gedruckt wurden, die späteren (Nrn. 317 [Special Volume], 255
[Extra Volume], 578, 4816 und 4975) bei Arnoldo Mondadori in Verona.
Auf
andere Weise sind auch die Signet Books ein Meilenstein in der Geschichte des
Taschenbuchs, und so reklamiert am Ende des Caldwell-Bändchens The New American
Library of Worl Literature, Inc. 245 Fifth Avenue, New York 16, New York den
Ruhm für sich: „‘Good Reading for the Millions‘ is our motto. Under our former
imprints, Penguin and Pelican, and under our new imprints, Signet and Mentor,
you will find the best of the world’s literature within reach of every purse.
Signet stands for books of finest fiction, and Mentor for distinguished
non-fiction. Thanks to the cooperation of American publishers whose books we
have reprinted, and to the cooperation of authors who have written originals
for us, our active list includes books by these and scores of other outstanding
writers and scholars [Es folgt eine Liste mit 22 Namen von Sherwood Anderson
bis Richard Wright.]
Many
of our best sellers, fiction, poetry, drama, classics, non-fiction and
reference titles are important books of a sort never before available in
inexpensive paper-bound form. The variety of our list means something good for
every reader’s taste, mood and interest.
Our
change of name and imprint in 1947 did not represent a change of policy, but
was only incidental to our growth and independent development as a wholly
American firm. Our motto in the past and in the future – ‚Good Reading for the
Millions‘ – applies to all our books in every category.“
Die
darauf folgende Liste in letzter Zeit erschienener Signet-Bücher endet mit
Frederic Wakeman (Frederic E. Wakeman, Sr., publishing
as "Frederic Wakeman"), Shore
leave. Dabei handelt es sich um den Vater von Frederic Evans Wakeman, Jr. (December 12, 1937–September 14, 2006),
der ohne Manjurisch zu können das monumentale Standardwerk The great enterprise veröffentlichte. Diese Liste nennt auch den
Preis eines Signet Buches – 25c. Erworben hat es ? am 19.9.1949 für DM 1,20.
Zurück zu Caldwell, über den man
zusammenhängend und verstreut recht viel im Internet finden kann. Das, was ich von
ihm gelesen habe, gehört nicht zu seinen berühmtesten Werken. Da ich diese aber
nicht kenne, kann ich über die Spitze des Eisbergs nichts sagen. Ich begann mit
dem dünneren Büchlein A house in the
uplands und ich empfand ähnliches wie die Person die folgendes schrieb,
einen Text, der in das Zeit-Dossier
vom 17. Januar 2013 passen würde: „A ridiculously
overheated melodrama set on a decaying southern plantation, featuring a
prideful, spoiled young "aristocrat", his mother who encourages him
in those traits, his neglected, weepy wife, their downtrodden servants and
field hands, a "modern" cousin, an earthy lower-class tenant... and
more tumultuous passions, angry outbursts, tearful scenes, conflicts, financial
troubles, and predictable plot developments than you'd wish to count. I guess
it's a "classic" because it's so typical of a genre of best-sellers
that continues to this day. Even the prose has the flat, descriptive tone of
the sort of popular writing that has to tell you exactly what the characters
are thinking (Bis hierhin reicht mein Einverständnis). (...) This being
published in 1946, there's no actual sex, like there undoubtedly would be now
-- we have to content ourselves with our heroine being carried, trembling, in
the brawny arms of her neighbor, etc. (Gibt es keinen aktuellen Sex, nur, weil
die plastische Beschreibung des Geschlechtsaktes fehlt? Das Tun des männlichen
„Helden“ mit Sallie John ist deutlich genug. Offensichtlich hatten damalige
Leser eine bessere Kenntnis von der Realität als unser Rezensent, vor allem,wenn
man die Versuche der New York Society for the Suppression of Vice zur Kenntnis
nimmt, deren Mitglieder offensichtlich natürlichere Vorstellungsfähigkeiten
hatten als wir, denen die „Dinge“ überdeutlich aufs Butterbrot geschmiert
werden müssen. Auch spätere Arbeiten von Caldwell werden als
„semi-pornographic“ beschrieben.) (...) (und manchmal sind die Koinzidenzien verblüffend. Auf S. 28 des TLS vom 11. Januar dieses Jahres ist ein Umschlag von 1948 reproduziert: Erskine Caldwell, Midsummer passion by the author of God's little acre and other stories. Im Kommentar dazu heißt es, dass es kaum zu glauben sei, dass die Literaturkommission des Staates Georgia einst empfahl, die Buchhändler gerichtlich zu belangen, die Caldwells Roman God's little acre auf Lager hatten. Weiter wird ein Brief von Byron Herbert Reece von 1957 referiert, in dem er darüber klagt, dass man dauernd Leuten aus anderen Staaten erklären müsse, dass die Kommission nicht die Mentalität Georgias repräsentiere. Nicht zu Unrecht meint J.C., dass das Titelbild von 1948 Reece bestätige.)The other difference is that such a
story nowadays would be very unlikely to be frank about the racial relations on
the plantation. There's no glossing over attitudes or censorship of language.
The author obviously thinks that the black characters, in the words of the
modern cousin, "have certain fundamental rights", but his depiction
of them is just as clichéed as everything else here, and necessarily racist.
(...) Ich möchte Caldwell zu Gute halten, dass hier ein allmählich wachsendes Bewusstsein
eines Autors für die fehlerhaften bis schrecklichen Seiten des Rassismus
deutlich wird. Nach heutigen Maßstäben sind Wortwahl und der bescheidene
Einsatz für Gleichheit rassistisch, für mich ist das jedoch der Anfang einer
anderen und besseren Einstellung unter Einbeziehung des Umgangs mit den
„low-whites“. Was allerdings die Kritik an diesem Buch rechtfertigt, ist die
Zweidimensionalität der handelnden Personen. (...) (http://www.goodreads.com/book/show/2602928-a-house-in-the-uplands)
Die Beschäftigung mit Journeyman (1935) ist im Internet intensiver. Zwei
Beispiele finden sich sub http://www.fantasticfiction.co.uk/c/erskine-caldwell/journeyman.htm
und http://www.essaylet.com/book/erskine-caldwell/journeyman.html.
Dieses Buch erscheint mir erheblich besser durchgearbeitet zu sein als A house in the uplands, auch wenn die
Figuren gewaltig ins Groteske überzeichnet sind. Hauptperson ist der
Wanderprediger Semon Dye, der trotz aller Übertreibungen ein nicht
unwahrscheinliches negatives Element der amerikanischen Gesellschaft nicht
unähnlich den beiden Schaustellern in Huckleberry Finn, die allerdings nicht so
ungestört davonkommen wie Semon Dye, sondern geteert und gefedert aus der Stadt
getrieben werden, ist. Unterzeichnet, aber ebenso real sind die „low-whites“ wie
Clay, der von Semon Dye nach Strich und Faden ausgenommen wird. Auch in diesem
Buch werden Rassismus, hierarchische Fesseln und die bereitwillige
Verfügbarkeit von Frauen zynisch und satirisch und damit erkennbar kritisch
thematisiert. Nach einer gewissen Gewöhnungsphase – warum lassen sich die Leute
alles von Semon Dye gefallen? Ich hätte mich längst gewehrt – halte ich Journeyman immer noch für ein
lesenswertes Buch.
Ergebnis
der Caldwell-Lektüre war gestern, daß ich das Signet-Bändchen von 1947, welches
zu zerfallen schien wie Bücher vom Ende des 19. Jhs. in den Papierkorb
expedierte – noch könnte ich es herausholen, das Albatross-Bändchen jedoch mit
einer vorsichtigen Leseempfehlung an meine Tochter weitergab, die mir bei
dieser Gelegenheit Albatross-Ausgaben von Wilde, Graves und Huxley entführte
und mir gleichzeitig zum ersten Mal gestand, dass sie mit Virginia Woolf nichts
rechtes anfangen könne, auf meine Nachfrage nicht einmal mit Orlando – Trauer muss ich tragen.