Es fällt mir schwer, eine richtige Vokabel dafür zu finden, dass mir
manche Bücher nur noch im Wege sind. Zu viele Verben finden sich im Wörterbuch des Unmenschen, als dass man
sie unbefangen benutzen könnte, obwohl das Unheil spätestens schon im dritten vorchristlichen
Jahrhundert begonnen hat. Meine Wortwahl des „Zerlesens“ hat unterbewusst etwas
mit der Sentenz des Großvaters in „Zimt und Koriander“ zu tun. In zerlesen
findet sich auch erlesen, und erlesen
bedeutet nicht nur, dass man gut ausgewählt hat, sondern auch eine Aneignung
eines Textes und so weiter und so fort, zerlesen auch die Konsumtion eines Textes
als physischer Akt unter Einsatz der verschiedenen Mundwerkzeuge.
Diese Ehre möchte ich von Klass, Gert [1892-], Die Liebe des Leutnants Wartenstein. Roman. Mit 20 Zeichnungen von
Hans Meid [, über den sich übrigens mehr erfahren lässt als über den Autor, u.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Meid
(aufgerufen 26.11.2012)] . Berlin: Propyläen 1940 (13. – 32. Tausend). 189 S.
nicht zukommen lassen. Auf dem Vorsatzblatt steht in ihrer Handschrift der Name
einer meiner norwegischen Tanten mit der zusätzlichen Bemerkung, dass es ein Geschenk
meiner Eltern sei, ein Geschenk, das übrigens ab € 1,00 (zuzüglich Porto €
2,20) heute im Internet zu erwerben ist. Manche verlangen auch mehr, aber
höchstens das Zehnfache und preisen ein Sammlerstück an. Was das denn sein mag.
Gewidmet ist das Buch „Dem Gedächtnis meiner im großen Krieg gefallenen
Kameraden“. Seine Protagonisten gehören dem gehobenen spartanischen preußischen
Militär (Jörg von Wartenstein), dem bayerischen Adel (Manfred von Löwenfels)
und dem erfolgreichen bayerischen Unternehmertum (Maria von Thuregg) an.
Einerseits erhebt uns die höhere Gesellschaft zu höheren Gefilden, andererseits
erfahren wir, dass die höhere Gesellschaft unter ebensolchen Seelenhöllenqualen
leiden kann wie wir bzw. wie der Gefreite Wichert, dessen ungenannte große Liebe
in der Heimat ihn sitzen lässt. Er kommt um. Umkommen tun auch die beiden
männlichen Helden mehr oder weniger freiwillig, während die Heldin im Dunkel
der Geschichte verschwindet. Bereits auf Seite 21 wird übrigens die Entwicklung
hin zu einer unmöglichen ménage à trois klar, etwas, was, wenn man in der
richtigen Stimmung ist, mit einem aufgesetzt herben (preußisches Militär)
folgenden süßlichen Text befriedigen kann. Es handelt sich also um ein Buch,
das man auf dem Flohmarkt in ein Gebinde mit neun weiteren steckt und als Teil
einer Wundertüte für insgesamt 10 € anbietet (andere werden aus verschiedenen
Gründen folgen)
Gert von Klass zumindest als Laie zu eruieren scheint nur fragmentarisch
möglich, obwohl seine Produktion quantitativ alles andere als bescheiden ist.
So erfährt man, dass er 1934 ein Hörspiel Wendelin
Hippler veröffentlichte, das Schwamberger, Johannes, Die Entwicklungssgeschichte des Hörspiels. Grin Verlag 2004, S. 39
als Hörspiel mit Blut und Boden Charakter bezeichnet [http://books.google.de/books?id=IwEn3oZl9XgC&pg=PA39&lpg=PA39&dq=gert+von+klass,+h%C3%B6rspiel,+blut+und+boden&source=bl&ots=XfNzN1zGo9&sig=YoBiEFI9EL2b7t9JfkG9PO7JKwc&hl=de&sa=X&ei=bQeyUISzD8m0tAaVpIH4DQ&ved=0CD4Q6AEwAA#v=onepage&q=gert%20von%20klass%2C%20h%C3%B6rspiel%2C%20blut%20und%20boden&f=false (aufgerufen 25.11.2012)]. Obwohl
es in Stuttgart eine Wendelin Hippler Straße gibt, ist auch dieser Name für mich als
Laien schwer zuzuordnen. Er scheint so etwas wie ein schwäbischer
reformatorischer ikonoklastischer Bauernführer in der Reformationszeit gewesen
zu sein.
Nach dem Kriege hat sich von Klass besonders als Autor von
Unternehmensgeschichten bzw. Unternehmerbiographien hervorgetan, die
offensichtlich insgesamt als zu unkritisch bzw. als bezahlte
Gefälligkeitsarbeiten angesehen werden. (Der
Spiegel 1959:8; Priemel, Kim Christian, „Gekaufte Geschichte : der
"Freundeskreis Albert Vögler", Gert von Klass und die Entwicklung der
historischen Unternehmerforschung nach 1945“, in: Zeitschrift für
Unternehmensgeschichte 52.2007:2,
177-202; dagegen eine positive Kurzrezension zu einem der „Krupp-bände“ in: Ostpreußenblatt 12.1961:47, 3)