Samstag, 19. Januar 2013

diesmal rororo ohne Kommentar



Dacia Maraini

Im Rahmen meiner Entsorgungswut habe ich nach etwa vierzig Jahren in den mit dem Prix Formentor bekrönten Roman Zeit des Unbehagens der damals noch jungen, aber nicht wie Françoise Sagan so jungen Dacia Maraini hineingesehen. Allerdings war ich nicht so schnell am Ball, dass ich sofort zur 1963 erschienenen deutschen Ausgabe bei Rowohlt gegriffen hätte, drei Jahre später war früh genug als rororo Taschenbuch Ausgabe mit der Nummer 825.
Ein ziemlich heftiges Geschoss wurde damals vom Spiegel (1963:23) abgefeuert, mit dem die Dacia Maraini, die heute nach zahllosen (von mir leider nicht gelesenen) Arbeiten als so etwas wie die grande dame italienischer intellektueller Emanzipation anerkannt wird – dieses Bild vermitteln zumindest die zahllosen websites –, als sechsundzwanzigjährige „Gesellschaftsschönheit und Appartement-Marxistin“ charakterisiert wurde. Die Kurzrezension endet damit, dass dem Leser die Erkenntnis dämmert, „daß selbst die Beschreibung von Sexual-Übungen zum Gähnen verführen kann:“
In der rororo-typischen Einführung „Zu diesem Buch“ heißt es u.a., dass die siebzehnjährige Hauptperson Enrica „sich einen Liebhaber nach dem anderen“ leistet. Auf dem hinteren Umschlag „verbraucht die siebzehnjährige Heldin einen Liebhaber nach dem anderen“. Beim höchstpersönlichen Nachzählen sind es allerdings nur drei, der blasierte und egoistische Cesare, den sie nach eigener Aussage liebt, der hoffnungslos in sie verliebte Carlo und schließlich der für die Beteiligten befriedigende one-night-stand des Rechtsanwalts Giulio Guido, der von ihm, aber nicht von Enrica gern wiederholt worden wäre. Zwar ist die Sprache der Maraini bereits deutlicher als die Caldwells zwanzig bis dreißig Jahre zuvor, aber ich muss dem Spiegel-Rezensenten zustimmen und auch mir erscheint die so-gerade-noch Diskretion Caldwells auch in einem schlechten Buch wie A house in the uplands sehr viel wahrhaftiger. Vielleicht aber befördert auch die Hitze im Staate Georgia die Phantasie und Lust mehr als das offensichtlich sehr regnerische Rom der Maraini.
Wie so oft fällt mir zum Eigentlichen denkbar wenig ein, denn älter und intensiver war meine Begegnung mit dem Vater Fosco Maraini (http://www.theflorentine.net/articles/article-view.asp?issuetocId=7640 von Deirdre Pirro (issue no. 161/2012 / April 12, 2012) und http://www.guardian.co.uk/news/2004/jun/15/guardianobituaries.obituaries). Manchmal ist es überaus ärgerlich, wenn Bücher im Impressum nicht das Erscheinungsdatum nennen. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich sein Buch Geheimnis Tibet als Schüler gelesen habe. Das wäre bei der deutschen Originalausgabe des Wilhelm Andermann Verlages, München / Wien aus dem Jahre 1953 sogar wahrscheinlich. Wenn ich aber versuche, die von mir gelesene Ausgabe im Bertelsmann-Lesering zu bibliographieren, so ist das eine Ausgabe ohne Jahr, und die Antiquare wählen entweder das Datum der Originalausgabe oder – nicht weiter begründet – 1960. Wenn ich wüsste, wann meine Schwester ihre Mitgliedschaft im Bertelsmann-Lesering aufgekündigt hat, hätte ich zumindest ein Datum ante quem.
Die Familie bleibt väterlicher- und mütterlicherseits in der Prominenz. Der Nachruf im Guardian: „His father was a well-known sculptor, Antonio Maraini, while his mother, Yoi Pawlowska Crosse, was English, even if her name reveals other roots, and the young Fosco grew up in the highly cultivated, Anglo-Florentine Tuscan society of the interwar years.“ Auch die Crosse-Familie lässt sich im Internet weiter zurückverfolgen.
Und schließlich nicht im Internet: Dacia Maraini kommt mir vor wie eine ältere Schwester oder Vorgängerin von Ulla Berkéwicz.

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