Gábor von Vaszary
Als es mit den rororo
Taschenbüchern begann, kauften meine Eltern nicht alle Bände, die erschienen,
von den ersten 21 Nummern nach meiner Erinnerung nicht Balzac (Nr. 6), weil
dieser in verschiedenen französischen und deutschen Ausgaben vorhanden war, nicht
Radium (Nr. 8) von Rudolf
Brunngraber, nicht Auf Wettfahrt nach
China (Nr. 9) von Neil Peterson und nicht Wendemarke (Nr. 21) von William Faulkner, warum diese nicht, kann
ich nicht sagen, wahrscheinlich eine Mischung aus Desinteresse,
Nichtwahrnehmung und Zufall. Die in Nr. 20, nämlich Monpti von G. v. V., genannten in Kürze erscheinenden Titel wurden
alle gekauft und von allen gelesen, einschließlich Percy auf Abwegen von Hans Thomas (i.e. Hans Zehrer). Von den
beiden anderen annoncierten Rowohlt-Bänden, Der
Trinker von Hans Fallada und Amerika
Tag und Nacht von Simone de Beauvoir kaufte ich 1956 das letztere in seiner
zweiten Auflage von 1952 für meine Mutter mit einer mir heute unverständlichen
Widmung für den 13. Mai 1956.
Eine weitere
ganzseitig Annonce, als am Ende des Buches Monpti
zu Fuß die Richtung zum Hotel Riviera einschlägt, gehört dem J.P. Toth
Verlag – Hamburg, der laut Impressum alle Rechte an Monpti besaß,
mit drei seiner Publikationen. Im Internet suchte vor wenigen Jahren jemand
Informationen über den Toth Verlag und bekam die etwas patzige Antwort, er
solle den Börsenverein fragen. In einem anderen Zusammenhang heißt es: „In die Reihe der Verlage, die nicht mehr
existieren, zählt auch der J.P.Toth
Verlag aus Hamburg mit ebenso reichem Angebot nach dem Krieg.“ (http://www.kulturexpress.de/848.htm) (aufgerufen am 6. August 2013). Aufgrund des Namens, aber auch des
Verlagsprogramms war dies fraglos ein Verlag mit heftigen ungarischen Wurzeln,
der u.a. 1943 einen Band herausgab Nikolaus von Horthy Admiral,
Volksheld und Reichsverweser, aber keineswegs nur diesen. Von den hier
annoncierten Büchern aus dem J.P. Todt Verlag, Margravou [i.e. Marcel
Gravouille], Die rote Viper,
[William] McFee, Die Morgenwache und
Lajos Zilahy (http://en.wikipedia.org/wiki/Lajos_Zilahy und http://www.sk-szeged.hu/statikus_html/vasvary/newsletter/08jun/zilahy.html) (aufgerufen am 5. August
2013), Die goldene Brücke ist allerdings
nur das letztere ungarisch, überdies 1956 verfilmt mit Curd Jürgens, Rurth
Leuwerik und Paul Hubschmid.
Der rororo-Band Monpti ist
eigentlich zur Entsorgung vorgesehen. Der Umschlag von Karl Gröning Jr. und
Gisela Pferdmenges scheint mir nicht so geglückt wie viele andere von diesen
beiden, sondern einen dem Buch nicht gemäßen süßlichen Charakter wiederzugeben.
Das säurehaltige Papier zerbröselt unter unaufmerksamen Fingern, und
schließlich insinuiert der Name des Autors ein wenig den allzu
leichtgewichtigen Boulevard, und die Csardas-Fürstin ist noch nicht wieder Mode.
Gleichzeitig fehlt ihm die adelnde Merkwürdigkeit eines Fritz von Herzmanovsky
Orlando oder dann einerKlaralinda
Ma-Kircher und eines Wendelin Schmidt-Dengler.
Nachdem ich
nach sechzig Jahren Monpti wieder
gelesen habe, fällt es mir jedoch schwer, mich davon zu trennen, womit ich
nicht ganz allein zu stehen scheine. (Susanne Schmetkamp,
29.09.2008, ZEIT ONLINE; http://www.heim2.tu-clausthal.de/~kermit/autoren/vaszary.shtml)
(aufgerufen 4. August 2013). Doch bin ich mit Frau Schmetkamp nicht in allen
Punkten einig. Zunächst ein äußerlicher, der sich auf die frühen rororo-Sitten
bezieht: Die von ihr erwähnte Abstimmung von Text und Werbetext stimmt,
doch ist es zumindest in meinem Exemplar zwischen S. 104 und 105 eine
Zigarettenreklame, auf der ein junger Mann dem Text auf S. 104 entsprechend
eine leere Milchflasche in der Hand hält, um für das Pfand Zigaretten zu
kaufen. Eine Häuserwand verrät den Namen der gewünschten Zigarette: FOX. Le
grand plaisdir pour les fumeurs. Le goût du monde. Übrigens scheint die selbe
Dame den Roman im Paris der fünfziger Jahre anzusiedeln, was gewiss
unzutreffend ist. Mich selber befriedigt zwar im großen und ganzen die vom
Autor angefertigte deutsche Übersetzung – wenn ich so gut ungarisch könnte wie
er deutsch! – aber die glücklicherweise nicht insgesamt durchgehaltene
Übersetzung Pariser Straßennamen missfällt mir sehr wohl. Wer geht, wenn er in
Paris ist, jemals die Sankt-Jakob-Straße hinauf?
Sicherlich wäre die Frage des Geburtsjahres
von G. v. V. in einem einschlägigen Archiv zu lösen. Mir erscheint jedoch das
spätere Datum (1905) plausibel, da das Gefühlsleben in Monpti dem eines sehr jungen Erwachsenen zu entsprechen scheint,
wissend bereits, aber ohne allzu viele Erfahrungen, was beides in einem
diskreten inneren Dialog, in dem der Witz die drohenden Spitzen kappt, seinen
Ausdruck findet. Darüber hinaus löst der Tod der Protagonistin verschiedene
fiktionale und reale Probleme. Einerseits wird die Phantasie aus der
scheinbaren Realität entfernt, zum anderen wird das ewige Problem einer Mischverbindung
kurz angesprochen, dann aber stillschweigend aufgelöst.
In einer Altmännerstimmung halte
ich den Text Vaszarys auf verschiedenen Ebenen für wahrhaftig und klug – und selbstverständlich
elegant. Meine Absicht, den Text zu entsorgen, muss ich zurückstellen. Vor
einigen Jahren dachte ich, es auf dem Flohmarkt für vier € anzubieten, dieses
zerbröselnde Bändchen, allerdings bisher ohne Textverlust.
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