Wenn ich schreibe, dass ich natürlich auch im Royal Botanical Garden Edinburgh war, dann ist das überhaupt nicht natürlich, sondern nur ein unerfüllter Traum, Pflanzen besser und häufiger zu erkennen als ich es tatsächlich tu. Am 6. Mai 2010 wurde Andrew Miller in seinem Wahlkreis Ellesmere Port & Neston mit einer leicht geschrumpften Mehrheit von 9,8% wiedergewählt. In seiner Jungfernrede (http://www.andrew-miller-mp.co.uk/00f2905a-db4d-c984-f5c5-5c...), die er hielt, nachdem er bei der vorhergehenden Wahl den Konservativen den Wahlkreis abgenommen hatte, gibt es eine Passage: „Ellesmere Port and Neston is a constituency of great contrasts – from rich to poor, from urban to rural, from beautiful landscapes to industrial dereliction, and from environmental perfection to environmental concern. I shall concentrate on that last aspect, and contrast the peace and tranquility of Ness gardens with the serious concerns about the protection of the environment round the vital petrochemical and related industries.
Ness gardens were the creation of a great socialist – A.K. Bulley who, incidentally, fought the then Rossendale constituency early this century on behalf of the women’s suffrage movement. The gardens, which he and his daughter [Agnes Lois Bulley] later [1948] gave to Liverpool university, now provide a place of great beauty and tranquility for my constituents and for many thousands of visitors. They also provide the university with important research facilities on plants and their habitat. In this House my skills as a guide have yet to be developed, but I should happily share the experience of the beauty and tranquility of Ness gardens with other Members of the House.” Ein Wort habe ich aus der Jungfernrede gelernt “remaindered”, wenn man im Modernen Antiquariat Remittenden kauft. Stephen Brasher (The Returning Officer) in New Statesman schreibt am 4. Mai 2010 das gleiche (http://www.newstatesman.com/print/201005040017), drückt sich aber anders aus: „A.K. Bulley, a Liverpool cotton broker, stood in Rossendale at the January 1910 election, gaining 639 votes for the suffrage cause. He was best known as a fanatical plant collector who founded the famous plant nursery Bees Seeds. He did better than the candidates at St. Pancras East (H. Jacobs) and Glasgow Camlachie (W. Mirrlees) who only managed 57 votes between them.”
Ich zitiere Andrew Miller wegen der Erwähnung Arthur Kilpin Bulley’s (1861-1942). Über ihn gibt es eine Biographie von Brenda McLean, "A pioneering plantsman: A.K. Bulley and the great plant hunters". London: Her Majesty’s Stationary Office 1997. Das Internet ist sehr wohl ein Kapitel für sich. Duncan McDougall (http://www.gardenweb.com/cyberplt/people/forrest.html) lässt Bulley 1940 sterben und mit diesem Jahr auch Ness garden an die Universität Liverpool fallen. Er war ein Liverpoodlian Baumwollhändler, der Himalaya- und chinesische Gebirgspflanzen – natürlich auch andere – über seine Pflanzenschule Bees Seeds in Großbritannien und anderswo – so schickte er 1900 Samen der Forsythia europaca Dehen and Baldacci an das Arnold Arboretum, Harvard – heimisch machen wollte. Und damit entsteht seine Beziehung zum Royal Botanical Garden Edinburgh, denn der Regius Keeper des Gartens, Isaac Bayley Balfour, stellte zunächst George Forrest im Herbarium ein, um ihn dann A.K. Bulley zu empfehlen, der jemanden mit der Botanisiertrommel in Westchina wünschte (c.f. zunächst The Royal Botanic Garden Edinburgh. The Garden Companion. Edinburgh 1970, p. 4, aber gewiss einmal mehr Brenda McLean, "George Forrest. Plant Hunter". 2009 und vorher ebenfalls Brenda McLean, "George Forrest, Plant Hunter". Antique Collectors‘ Club. Royal Botanic Garden, Edinburgh, Suffolk 2004 auf 239 Seiten), eigentlich wünschen musste, wenn das Briefzitat von Augustine Henry stimmt, “don’t waste money on postage – send a man.“ (Norman Todd, „George Forrest, Mr. Bulley and Professor Balfour“, April 2005, http://www.victoriarhodo.ca/Archives/Todd405.htm). Eine niedliche Bemerkung zu ihm hat Norman Todd: „Swallowing some of his socialist doctrine he decided to send a collector to Yunnan”. Ist Herr Todd ein Liberal-Democrat? Weil es aber offensichtlich nicht so einfach war mit A.K. Bulley, sicher aber auch nicht mit Balfour und Forrest selbst, wurden die späteren Expeditionen Forrests von einem Syndikat unter Führung von J.C. Williams of Caerhays in Cornwall (1862-1939) bezahlt (Diese Information findet sich bei Walter Magor, s.u.). mit dem er nach Gwen Bell, Seattle, Washington Briefe von dreißig Seiten und mehr austauschte (http://www.scholar.lib.vt.edu/ejournals/JARS/v31n1-bell1.htm, p. 3). In Caerhays entstand ein heute berühmter chinesischer Garten. Dies wiederum führte dazu, dass die taxonomischen Arbeiten mit den von Forrest zwischen 1904 und 1931 nach Edinburgh zurückgeschickten Specimina eine besonders wichtige Rolle in den wissenschaftlichen Tätigkeiten der Angehörigen des Botanischen Gartens einnahmen. Der Garten selbst enthält viele Pflanzen, die durch Forrest nach Schottland gebracht wurden, so die Lapponicum Serie der Rhododendra im Steingarten (The Garden Companion, pp. 14, 52), die Primulae im Baumgarten (Woodland Garden) (pp. 18, 63), während der blaue Scheinmohn (Meconopsis betonicifolia) erst durch Francis (Frank) Kingdon-Ward (1885-1958) 1924 bekannt wurde. Entdeckt hatte man ihn aber schon 1886 in Yunnan (p. 59).
Mit den Forsythien scheint Forrest etwas weniger zu tun gehabt zu haben. Ihre europäische Karriere beginnt mit Carl Pehr Thunberg, der 1784 seine Flora Japonica veröffentlichte, und darin die Syringa suspensa aufnahm – offensichtlich reicht mein Norwegisch doch nicht aus. Zwar weiß ich, dass es syriner gibt, aber es ist wohl doch der Flieder, der Türkische Holunder, Jelängerjelieber gemeint. 1804 erkannte Martin Vahl, Professor der Botanik in Kopenhagen, dass es sich nicht um eine Fliederart handelte und schuf das genus Forsythia in Erinnerung an William Forsyth, damals Direktor des Royal Garden in Kensington (c.f. http://www.arnoldia.arboretum.harvard.edu/pdf/articles/1723.pdf, S. 42. Auf S. 51 erscheint die Forsythia giraldiana Lingels., die 1897 von G. Giraldi in Nord-Shaanxi und 1914 von Reginald Farrer in Gansu gesammelt wurde)
Man fühlt sich – und da erinnere ich mich, dass ich am Wochenende in der FAZ vom 8./9. Mai 2010 ausgerechnet im Teil „Beruf und Chance“ auf Seite C2 einen Artikel von Julia Löhr las, „Clemens Meyer. Ein Arbeiter im Literaturbetrieb“, der angeblich von sich immer als „man“ spricht. Ist das eine Art von Caesarenattitüde? – jünger oder zumindest gesünder, wenn man liest, dass George Forrest Scotland’s Indiana Jones of the plant world sei (http://www.plantexplorers.com/explorers/biographies/forrest/georg...). Vor dieser poetischen Bemerkung erscheint fast noch poetischer eine Auswahlliste der Pflanzen, die Forrest in Europa bekannt machte. Hübsch der Anstoß bei Duncan McDougall zu Forrests Beschäftigung mit Flora (und Fauna) durch einen Angeltrip zum Gladsdale Loch. Er schützte sich vor heftigem Regen und entdeckte dabei einen steinernen Sarkophag, der aus einem Grabhügel herausragte. Um mehr darüber herauszufinden begab er sich zum Antiquarian Museum in Edinburgh und kam bei dieser Gelegenheit in Verbindung mit Isaac Bayley Balfour.
Bisher habe ich vor allem Ostasiatische Kunsthistoriker beneidet, die ihre Begeisterung für ihren Gegenstand mit Wissen und Können unterfüttern. Jetzt beneide ich auch Walter Magor, der Mitglied der Royal Horticultural Society, dem Herausgebergremium der Rhododendron Gruppe eben dieser Society war und dessen Vater Reginald Farrer zwar in die Kalkhügel von Ingleborough in Yorkshire und in die Alpen begleitet hatte, nicht aber nach Gansu und Sichuan in 1914, weil er kurz vorher geheiratet hatte. Magors Artikel „A History of Rhododendron“, ursprünglich in the Cornish Garden Journal veröffentlicht, von mir gelesen in Pukeiti (http://www.pukeiti.org.nz/index.php?page=news&newsid=45&ne...) hat einen wunderschönen Einstieg. Er mag gängig, bekannt und ausgelutscht für Rhododendron-Kenner sein, ich kannte diese Anekdoten nicht, obwohl sie Ähnlichkeit mit dem Gerücht haben, Napoleon habe vor der Schlacht bei Waterloo zu heiß gebadet. Die Soldaten Xenophons vergifteten sich mit Honig aus dem giftigen Nektar des Rhododendron luteum, den Soldaten des Pompeius geschah das gleiche, als sie gegen Mithridates zogen, und am aktuellsten vergifteten sich die Soldaten Alexander des Großen 327 v.Chr. wahrscheinlich an Rhododendron afghanicum. Dem folgt eine schöne Beschreibung, wie so manche Rhododendra nach Großbritannien gelangten, u.a. das Rhododendron fortunei, dessen Samen Robert Fortune 1855 aus Zhejiang zurückbrachte. Und weiter: Wie erhebend – und ich meine das gar nicht albern – sind Passagen wie „Joseph Hooker’s expedition is immortalised in his Rhododendrons of the Sikkim Himalaya published in three parts between 1849 and 1851, with thirty coloured plates, edited by Hooker’s father.“ Joseph Hooker nannte viele neuentdeckte Spezies des Rhododendron nach seinen Freunden. Aber Magor geht immer weiter und würdigt die Missionare der Missions Étrangères,m Armand David, Jean Marie Delavay, Paul Farges und Jean Soulie, bevor er zu den Kelten und Angelsachsen kommt, zuerst zu den Hobby-Pflanzensammlern, Augustine Henry (1857-1931), der eigentlich Mediziner und Assistent im Dienste der Imperial Maritime Customs war, dann auch zu William Purdom (1880-1921), der später Direktor der Wälder für die chinesische Regierung wurde – diese beiden Namen veranlassen mich, weniger über Wikipedia zu lästern, denn Magor in allen Ehren, ausführlicher ist diese genannte, aber auch Joseph Rock, wichtig für Sinologen, wenn man sich mit dem tibetisch-chinesischen Grenzgebiet beschäftigt oder ein Hartmut-Walravens-Freak ist, war ein genuiner Rhododendronologe. Als ich von der Bibliothek in Devon berichtete, hatte ich den Beitrag von Walter Magor noch nicht gelesen. Manche Familien haben ihre Finger wirklich in alles gesteckt und z.B. aus Rhododendron arboreum, R. catawbiense und R. ponticum Altaclerense (Highclere Castle) gezüchtet, allerdings zu einer sehr viel früheren Zeit. Manchmal wünschte man, man wäre kein Spätgeborener, hätte einen Namen, der nicht schon einer Blume gewidmet worden war, sondern sei die Hortensia Lepaute, die Frau des Uhrmachers, nach der Commerson die Hortensie benannte. Aber das war doch unmittelbarer und schöner als der flachere Grund für den Rhododendron campbelliae, wie nach der Frau des Superintendenten von Darjeeling und politischen Agenten in Sikkim, Dr. Archibald Campbell. Eine Zwischenlösung wählte George Forrest, der nach seiner Frau Clementia Traill zwei Rhododendronarten benannte, Rhododendron clementinae und Rhododendron traillianum. Das alles könnte ich endlos weiterführen, wenn ich nicht zwischendurch am PC ausführlich Patience legen würde.
1973 oder 1974 war ich das nächste Mal in England, zuerst mit meiner Mutter, dann stieß über Heathrow Rana dazu, die zunächst in London im YWCA-Hostel nächtigte, während ich mit meiner Mutter in einem Hotelchen in Bayswater campierte. Der Grund in England zu sein, war diesmal, glaube ich Ralph Hewins in Kent (oder war es doch Liphook in Hampshire, wie der Waschzettel seines Buches besagt?) wegen seines Buches Quisling. Prophet without Honour. London: W.H. Allen 1965. Wir waren in einem ziemlich erfreulichen Landgasthaus zum Dinner, mit Sherry vor dem Essen und Tournedos Rossini als Hauptgang. Mehr Geschmäcker sind von dieser Gelegenheit nicht auf meiner Zunge geblieben. Und vielleicht war es doch Hampshire, denn wir wohnten in einem Hotel in Odiham, von wo wir auch Dereen in ? Hartley Wintney ? (Übrigens auch der Ort meines Pfarrers) besuchten und Rana mit unseren englischen Freunden bekannt machten, die inzwischen sogar leicht älter sind als ich. Übrigens überlegten wir noch einmal nach 2000, ob Leyla als au pair Mädchen nach England gehen solle, und, ich glaube, der älteste Sohn Dereens, Christopher kam in Frage, der dann mit seiner Familie in der Nähe von Salisbury wohnte, wo ich dann stattdessen etwas später aus einer der gesammelten Werke Thackerays The Rose and the Ring für Leyla kaufte. Außerdem dürfte Salisbury abgesehen von Constable, denkwürdigen Teenachmittagen und natürlich Stonehenge, in den Fünfzigern noch kostenlos auf einer Wiese zu begehen, der Magna Charta und der vielleicht frühesten englischsprachigen Inschrift nach Winchester die zweite Kathedrale auf meinen Wegen durch England gewesen sein. Und schon springe ich wieder: Natürlich war ich auch zu verschiedenen Zeiten in Colchester und Silchester als hommage an Rosemary Sutcliff, Orte, durch die England über die Dark Ages hinweggerettet wurde. Und von meinem ersten kindlichen oder jugendlichen Besuch gibt es immer noch Did Our Lord Visit Britain? Und die Bemerkung eines anderen englischen Freundes, der eigentlich aus Yorkshire stammte und sich in das Amharische vertieft hatte, dass Jesus vielleicht dann der erste Doppelagent gewesen sei, gehört auch dazu.
Ansonsten war der Hewins-Besuch eher kurz, aber es war wohl auf dieser Reise, dass wir dann einige Tage in Cranbrook verbrachten und Tunbridge Wells mit nicht nur einem, aber einem wunderbaren Antiquariat kennenlernten – ich kaufte mir ein etwas abgegriffenes Exemplar in sieben Bänden von The Principal Navigations, Voyages, Traffiques & Discoveries of the English Nation Made by Sea or Overland to the Remote & Farthest Distant Quarters of the Earth at any time within the compasse of these 1600 Yeares by Richard Hakluyt in Everyan’s Library (Reprinted 1926). Damals nicht aber später aß ich dort in einem Pub Fish and Chips, der von sich behauptete, dieses Gericht in England am besten zu machen. Es war ziemlich gut, aber doch ein bisschen ölig.
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