Die Globalisierung als geeignetes
Mittel zur Verdünnung der wissenschaftlichen Atmosphäre
Zuerst wurde ich gefragt, ob ich – aus Termingründen war der
eigentliche Ansprechpartner verhindert – einen auf der Durchreise befindlichen
prominenten Wissenschaftler betreuerisch übernehmen und für einen Vortrag
gewinnen könne. Der prominente Wissenschaftler sei auch bereit, einen von
mehreren Vorträgen zu halten und sicherlich zufrieden mit dem bescheidenen
Obulus, den die Freie Universität dem Wissenschaftstouristen zu zahlen in der
Lage ist.
Von Prominenz und Bedeutung auf einem Gebiet, von dem ich
lediglich weiß, daß es existiert, geblendet war ich bereit, alles Notwendige in
die Wege zu leiten, um so mehr, als am folgenden Tag mir ein auswärtiger
Kollege am Telephon verschwörerisch lachend versicherte, er sei „Besser als...“
Da ich vor mehr als dreißig Jahren bedingt durch die Enge unseres kleinen
Seminars wie andere Jünger Georges mich um „Schlechter als...“ geschart hatte,
waren alle gar nicht vorhandenen Bedenken verflogen. Ich sah „Besser als...“
mit Zuversicht entgegen, stellte einen Antrag auf Gasteinladung, und weil
Prominenz immer eilend unterwegs ist, streckte ich die 200 DM vor und
veranstaltete einen mittelgroßen Bahnhof in meinem Büro mit Tee und Kaffee aus
dem Automaten.
Gewählt hatte ich aus der Skala möglicher Themen, das,
welches am ehesten der globalen Vernetzung, nicht meines Faches, sondern seiner
Inhalte entgegenkam und die Avantgarde des Faches nach menschlichem Ermessen
hätte begeistern müssen. Glücklicherweise verhielt sich die Avantgarde
politisch korrekt und erschien nicht zu einem von mir als Substitut
organisierten Beitrag aus der internationalen Wissenschaft, denn der prominente
Beitrag entpuppte sich zu Erfahrungen aus einem kommunikationsfreudigen,
optimistischen und von Wissenschaftsreisen erfüllten fünfzigjährigen Leben, in
dem auch Zimbabwe nicht vom Pfad der amerikanischen Demokratie abwich. Eigenes
Erleben wurde mit zehn heute gängigen Attributen belegt: Culturalization,
Decolonization, Democratization, Emancipation, Globalization,
Intellectualization, Modernization, Socialization, Vitalization and
Zombiization.
Es blieb mir überlassen, am Ende des räumlich gut genutzten
Vortrags für die Insiderinformationen eines Außenseiters zu danken.
Nach „Besser als...“ wollte ich sehen, ob „Kommender Stern“
zwei Tage später „Besser als...“ das Wasser reichen könnte. Dieses Mal wurde
das Ereignis von „Political correctness“ initiiert, und ich tauchte in der
Menge ab, um zu beobachten, ob Dompteur oder Tanzbär am Nasenring geführt
wurden. Ich hatte die Wahl zwischen zwei Veranstaltungen, doch kannte ich den
Vertreter des Ossian bereits, konnte nicht wie der Uhland’sche Türke
zweigeteilt werden, und meine Gier nach Erkenntnis war grenzenlos.
Es war, wie es sich gehört, ein erhellender Ausblick,
„Kommender Stern“ beim witzig pragmatischen Referat über das zweite Kapitel
seines neuesten Buches zu folgen als sei es eine Lesestunde aus Harry Potter,
wir lachten und erfreuten uns an der no-nonsense Intellektualität des mittleren
Westens der Vereinigten Staaten, die uns in anderem zimbabwischen
Menschenrechtskontext plötzlich die Appeasement-Politik Chamberlains verbrämt
mit Zustimmung einfordernden kritischen Seitenhieben gegen die amerikanische
Politik im fernen Serbien rational und plausibel erscheinen ließ, uns in der
unerschütterlichen Überzeugung bestärkte, durch Kontakte und unseren Mantel der
Legitimierung die Demokratisierung Zimbabwes auf den richtigen Weg bringen zu
können, wenn wir nur den Revolutionären die Furcht vor uns nehmen könnten,
ihnen verständlich machen könnten, was wir längst wußten, daß die Revolution
vorbei sei. Die Homiletik von „Kommender Stern“ litt nur darunter, daß er nicht
aus dem gedruckten Werk las, weil so nicht das erotische Gefühl hervorgelockt
wurde, das Bücher amerikanischer Universitätsverlage so trefflich zu erzeugen
verstehen, wenn sie Seriösität in einem coffee-table-book verkleiden. Dies
hatten andere Vortragende über das senegalesische Theater und Mongolen in West-Afrika
„Kommender Stern“ voraus, denen ich früher mit zitterndem Herzen gelauscht
hatte.
Voller Vorfreude wanderte ich also wieder einen Tag später
zum Vortrag von „Alte Hand“, die als reformiertes Mitglied der kolonialen
Gemeinde von Salisbury die Schönheit des Kolonialstils von Harare anhand der
von ihr produzierten Photobände mit der Kategorie ‚was mir gefällt‘ pries.
Während wir bei den beiden ersten Vorträgen zusätzlich unser
Hörverständnis in amerikanischem Englisch üben konnten, bekamen wir diemal ein
Beispiel davon auf Deutsch, wie sich unsere englischen Vorträge bei
Eingeborenen anhören können, vague in den Begrifflichkeiten, kokett und
kolloquial. Vor allen Dingen aber wurde uns ein Ausschnitt der
Leistungsfähigkeit der globalen Wissenschaftsorganisation geboten.
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