Dienstag, 11. September 2012

Lesender Weise 17/I

Lesender Weise 17/I



Es wurden weitere Genies mit Diplom erschaffen, die wie Friedrich Sänger, eine weitere jugendliche Größe aus der Johannes-Universität, die political correctness internalisiert hatten, mit Texten und Daten jonglierten und diese den gerade modischen Fragestellungen unterordneten, die wissenschaftliche und gutachter­liche Strenge walten ließen, wenn andere auszuscheren drohten. Wie sollte dies erreicht werden? Zunächst einmal durch den Verzicht auf Fakultäten, durch die Schaffung der großen Gemeinschaft aller Lehrenden und Lernenden, Lernenden und Lehrenden in vertauschten Rollen. Die verschiedenen Nuclei verpflichten die Lehrenden zu dauernder interdisziplinärer Interaktion, zu aktivem und reaktivem Reagieren und Agieren, allerdings auch immer wieder zum Mut zur Lücke, zum Verzicht auf das Persische, wenn man Osmanisch mehr als nur lernen wollte, auf das Griechische, wenn man die Briefe des Apostels Paulus studierte – sie waren eh bereits ausgelutscht, der Mathematik für die Statik, wenn diese durch Ästhetik ersetzt wurde. Auswärtige Einladungen ergänzen das Lehr- und Diskussions­programm, auch wenn die Altmeisterin zur Technisierung der Welt aus Santa Barbara völlig unvorbereitet zu uns stößt, die großen Literaturwissenschaftler von Altdorf bis Zonguldak Kleinkunst betreiben. So bleibt der Geist wach und wird erst vom Erfolg of the fittest fremddominiert, doch dies ist ein dauerndes Wechsel­spiel in der Politeia des Geistes, weil jeder zu einem Zeitpunkt seine Kapazität einbringt. Diszipliniert werden die Geister durch die Überschneidungen der kleine­ren Nuclei in den größeren Nuclei, die etwas vermögen, was die größeren nur selten vermögen, changierend zeitweilig in einem anderen der größeren Nuclei aufzugehen. Das gesamte Angebot der Johannes-Universität wird modularisiert, um jede nur denkbare Kombination von Wissen zu gestatten. Module von zwei Semestern mit insgesamt acht Semesterwochenstunden oder weniger erschließen durch stete Kontaktaufnahme Kontinente des Wissens respektive der Erfahrbarkeit von Wissen. Gepaart wird diese lebendige Welt mit Praktika bei der Europäischen Union in Brüssel, wo man Kontakte knüpft mit EU-Beamten, zu Fachfragen recherchiert oder Geschäftstreffen organisiert. Am Telephon wird keiner merken, ob man diese Arbeit seit Jahren macht oder nur innerhalb eines viermonatigen Praktikums. Und ohne verwöhnt zu sein, vermag man doch in Brüssel seine hohen Ansprüche zu befriedigen, indem man das spärliche Praktikantensalär mit Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der regelmäßigen Teilnahme an abendlichen Empfängen aufbessert, auch wenn man sich davor hüten muß, dass etablierte Eurokraten und Lobbyisten die Kontaktbereitschaft der jungen Frauen und Männer missdeuten.
Aus solchen Praktika und ergänzenden Kursen, geleitet wiederum von Praktikern bis hin zu Journalisten, die ihre fremdlegionären Vietnamerfahrungen überaus kompetent in Wissensautorität über die Nahost-, Iran- und zentralasiatischen Zustände und die Wege der französischen Außenpolitik umsetzen können, turnus­mäßig moderiert von der Professorenschaft der Universität und in Partnerschaft mit renommierten ausländischen Universitäten in Reading, Belgrad und Saloniki werden Studiengänge entwickelt wie der Masters of Science in Real Estate & Construction Project Management. Als Ergebnis werden wir junge überdurch­schnittliche Absolventen präsentieren, die durch Studium, Praktika und Auslands­aufenthalte ein ganzes Gebinde von Fähigkeiten vorweisen können und dennoch bodenständig geblieben sind. Was heißt bodenständig? Diese Frage beantwortet Katharina Stotz von Roche Diagnostics in Mannheim: das sind nicht Leute die sagen: Hoppla, hier komme ich, wo ist mein Super-Gehalt und mein Super-Auto? Vielmehr fördert man Dissertationsthemen durch begleitende Symposien und Forschungscolloquien anläßlich der hundertjährigen Jubileen der Fa. Wilmking bzw. der „Luchs“-Mausefallen oder der Fa. Miele, die 1906 nach den entspre­chenden Genehmigungen mit dem Bau ihrer ersten Fabrik im Amt Gütersloh begonnen hatte. Vor allem dieses letztgenannte Ereignis verlockte interessierte Forscher von China bis Tanzania – oder doch von Albanien bis Zanzibar, um die verschiedenen Entwicklungsstufen und das Weiterleben der von Miele produzierten Haushaltsgeräte von halb mechanischen, halb manuellen Geräten bis zu den jüngsten von digitaler Technik gesteuerten Wunderwerken zu belegen. Dass die osteuropäischen Studenten sich heute lieber gleich für Amerika ent­scheiden, wenn sie auch in Deutschland bereits auf Masters- und Bachelor­studiengänge stoßen, daran brauchen wir uns umgekehrt, aufgefangen durch die gegenseitige Käuflichkeit, ebenfalls nicht stoßen. Dann spielt auch die lästige Frage, ob neunzig amerikanische Hochschulen oder nur 68% von ihnen die deutschen Abschlüsse anerkennen, eine denkbar geringe Rolle.
Und so wird jeder unserer Kunden aus China und den osteuropäischen Staaten erkennen, dass wir den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden, unseren Studenten klare berufliche Profile vermitteln, immer am Puls der Zeit erkennen, was unsere Kunden fordern, so dass nicht mehr natürliche soziale Kompetenz von Bedeutung ist, sondern der Fakt, dass unsere Absolventen von der Johannes-Universität stammen, überdurchschnittlich, universal, umfassend und praxisbe­zogen ausgebildet sind, handhabbar, modellierbar, gegangen durch die Schule der Studienstiftung des Deutschen Volkes. durch die Mühlen einer erfolgreichen Bewerbung um ein Heisenbergstipendium, gepaart mit fraglos anpassungsfähiger hinreichender Intelligenz.
Natürlich können wir sagen, dass der deutsche öffentlich-rechtliche Professor und sein weibliches Pendant – wenn auch vielleicht seltener – faul ist, doch werden wir in Gütersloh bald die sogenannten, doch kostenpflichtigen privaten Rumpfhoch­schulen in den Erfolgsmeldungen einholen und überholen, wenn wir die leistungswilligen, kapitalkräftigen netzwerkbewehrten, in neuartigen Corpora­tionen heimischen Studenten gewinnen. Wir werden die Selbständigen aus Witten-Herdecke, die Finanz- und Consultingbosse aus Koblenz-Vallendar, die interna­tionalen Player aus Berlin, die Unternehmensberater aus Leipzig, die Praktiker aus Oestrich -Winkel und schließlich auch die Spitzenforscher aus Bremen verdrängen, weil wir fast hundertprozentige Jobgarantien und noch bessere Karriereper­spektiven bieten, nachdem wir die Studenten zu käuflichen Seelen degradiert ha­ben. Wie man lernt, in zwanzig Jahren aus neunzig Ländern zu berichten, den Pu­litzerpreis zu bekommen und erst dann entdeckt zu werden, dass man als Schreib­tischtäter nur in Lebensgefahr war, oder die Photographie zur authentischen Lüge seit dem Krimkrieg zu nutzen. Das Problem bleibt, was man als Mittvierziger mit dem Karriereknick beginnen soll und von allen Augen, nicht nur von Ukraine­rinnen, wehrlos ausgezogen werden kann.
Wir werden den Gender-studies einen neuen turn geben, wenn Absolventen der Johannes-Universität am Beispiel Corona Schröters das Vordringen der Frau in eine männliche Domäne untersuchen, die Wandlung der Frauenrolle auf dem Thespis-Wagen des 18. Jahrhunderts, die von August dem Starken instrumentali­siert werden konnte, zum beginnenden Starkult des 19. Jahrhunderts. Wir werden wie im kannibalischen Rausch Wissenschaftspiraterie betreiben und doch das remake verschleiern.
Und dennoch gab es auch an der Johannes-Universität Studenten, die man nicht verderben konnte. Das waren die Erfahrungen des Professors Pierre Guby, den die Kommission in einem Augenblick der Vernunft aus seiner vorher nie verlassenen Niesche in Nanterre herausgeholt hatte, um die scientia scientiarum, immer noch die Philosophie, auch in Gütersloh zu verankern – Guby selbst formulierte es als Durchwanderung des Antares, zu verorten und damit auch die Studierenden, denen, so wie seiner Zeit den Chemikern und anderen Praktikern an der Technischen Universität in Berlin durch Walter Höllerer, ein politisch akzentfreies Tor geöffnet wurde, das sie ihr Leben lang durchschreiten konnten, an einem seiner Torbögen verweilen oder nur das Licht durch die Öffnung sehen. Es war eine komische Mischung nicht korrumpierbarer Studenten, eine kanakische Mehrheit, aufgrund ihrer Verwundbarkeit immer unter Spannung und wachsam, schnell reagierend und eine dörfliche Minderheit, von Natur der kleinere Kern rebellischen Geistes, pendelnd zwischen Zugehörigkeit und Protest, bestehend aus den totgeborenen Löwenjungen, denen am dritten Tag Guby Leben eingehaucht hatte. Beide Grup­pen hatten die letzten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts übersprungen. Sie waren natürlich mit sich beschäftigt, waren in ihrer Resignation dennoch der bescheidenen Hoffnung, ihre Aktivitäten würden mit der Zeit ihren eigenen Sinn generieren. Sie spiegelten sich jedoch in ihrem jeweiligen Gegenüber. Und: sie brauchten eine Gestalt wie Pierre Guby, der nicht darunter litt, die Rolle des Heiligen Clemens von Ohrid spielen zu müssen, den der Vergleich mit einem Flußpferd nicht kränkte, das unbeholfen und absurd, aber lebendig die feuchte Landschaft um sich überragte, der sich auf Maskenbällen mit einem Schild zu behängen pflegte mit der Beschwörungsformel βάρβαρος βαρβαριζούσα ζαβάχωρα βαρβάρων πυρί πυριτουμόλε σώζε τόν φορούντα, und der mit einer seltenen französischen Polyglottie seine Stunden mit französischem Akzent in fast allen westeuropäischen Sprachen bestritt, sich des deutschen Wortes tiefster Bedeutung, des englischen common sense und vermeintlicher französischer Prägnanz bediente, in manchen Kanaken verständlichem Portugiesisch aus den Lusiaden zitierte, wenn er den Aufbruch in die europäische Renaissance erklären wollte. Doch wurde es ernst und wollte er einmal mehr einen Aufruf gegen die Zerstörung des Privaten formulieren, so sprach er französisch vom bösen Zufall in der Geschichte, dem Unterschied von Sünde und Recht und der schmerzlichen Freiheit des einzelnen. Das begrenzte die Zahl seiner Studenten. Ihm gelang, von allzu weni­gen erkannt, der vergebliche Sieg der Philologie über die Ideologie mit dem beglückenden Satz, dass die Sprache nicht Geist, sondern Werkzeug des Geistes sei, ein Gebilde aus geistiger Notwendigkeit und geschichtlichem Zufall. Und doch gehörte er zu den großen Zweiflern, die der Anwendung abstrakter Univer­salien auf das wirkliche, warme und lebendige Leben mißtrauten. Stattdessen hielt er es aber für unvermeidlich, den Schmerz der eigenen Erfahrung und des eigenen Scheiterns zu durchleben. Er erwies sich als destruktives Element, weil er seine Studenten als Erwachsene sah und anerkannte, bis hin zu seinen Prüfungs­gewohnheiten als Menschen behandelte, die ihre Eigenverantwortung kannten und daher nicht kontrolliert werden mußten.
Er war auch der einzige, so Karls Dossier, der nie bei seinen möglichen Begierden ertappt worden war. Es konnte jedoch Dossiers geben mit wenig vorteilhaften Aufnahmen, von schräg unten, mit vor Aufregung vorstehenden Augen, die absichtlich von seinen Gegnern gemacht worden waren. Ein einziges Mal, doch nicht dossiertauglich, hatte er noch in Unkenntnis deutscher Gepflogenheiten die Einladung zu einem öffentlichen Gespräch über Weltverbesserungskonzepte mit dem Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland im Café Janicke in der Kökerstraße, das zu einer Literatur- und Begegnungsstätte mutiert war, ange­nommen. Sehr bald merkte er, dass er nicht in seinem Mettier war, und wenn er gezwungen war, etwas zu sagen, gab er teils charmant, teils hölzern bekannte Welterklärungsmodelle von sich, die nicht falscher waren als das, was von anderen gesagt wurde, aber kaum die Aufmerksamkeit der Zuhörer erforderten. Nie wieder begab er sich in eine solche Situation. Und wie verhielt er sich zur modernen Wissenschaft? Sehr gut, natürlich. Seine Sicherheit vermittelte nicht die Über­zeugung, jetzt sei durch ihn alles gesagt, dadurch wurden keine Besitzansprüche auf Themen angemeldet. Er überließ die modernen kritischen Methoden jenen, die diese am besten verstanden und sie formulieren konnten, in welcher Sprache auch immer, selbst wenn sie der Sozialanthropologie entstammten. Seine Maxime war nur, dass niemand das Recht habe, einem anderen zu sagen, wie oder wie nicht ein Text zu lesen, eine Frage zu behandeln sei. Er war ein ein wenig unduldsam gegenüber Toren, und doch duldete er eher ein bißchen falsch verstandene moder­ne Theorie als die Zwangsjacke eines Quellenforschers ohne Kenntnisse wissen­schaftlicher oder literarischer Komposition.
Ein Ereignis, das niemand der Gütersloher Macher wirklich begreifen konnte, war die Vergabe des Balzan-Preises an Guby. Dafür wurde er in die Villa Farnesina eingeladen, und nicht nur Frau Professor Grebenstein hätte ihn nur allzu gern begleitet und bemühte sich trotz zahlloser Kontakte vergeblich darum.
Dies war der Augenblick, in dem Pierre Guby fälschlich glaubte, seine Stimme werde auch inneruniversitär gehört. Vergeblich schrieb er eines Tages an die Präsi­dentin: „Die Frankfurter Allgemeine Zeitung von Samstag, den 14. Dezember 2002, Nr. 291, S. 55 brachte einen Artikel von Jann Gerrit Ohlendorf, „Gewinner der Zukunft. Neigungsstudium vorteilhaft.“ Hierin wurde erstens eine Studie „Zur Zukunft des Akademikerarbeitsmarktes – Über Nutzen und Risiken von Prognosen und den richtigen Umgang damit“, die von der Vereinigung „Wege ins Studium“ in München vorgestellt worden war, referiert mit dem Tenor, dass Aka­demikerarbeitslosigkeit das geringste Problem in der Gesamtarbeitslosigkeit sei. Darüber hinaus wurde Professor Klaus Landfried als damaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz mit einer Warnung für die Schüler paraphrasiert, sich gegen ihre Interessen dem Familienwunsch zu beugen. „Der Rat der Eltern wirkt meist verheerend.“ Weiter hieß es unter Berufung auf alle möglichen Institutionen, Flexibilität sei es, die von den Absolventen erwartet werde und dass für konkrete Berufsentscheidungen die prognostischen Instrumente für die künftige Arbeitsmarktentwicklung nur sehr bedingt ausreichend seien. Ich wundere mich lediglich über das Datum Dezember 2002, da jeder Hochschullehrer, der ein wenig nachdenkt, genau diese Erfahrungen schon immer oder seit langem hätte wahrneh­men können, um nur zwei Beispiele zu nennen: sei es der erziehungswis­senschaftliche Kollege Schniewind in Hamburg oder die moderne Chinakundlerin Ohneschuld in Germersheim, die unabhängig voneinander, wie viele namenlose Hochschullehrer auch, längst entdeckt haben, dass Lernen lernen und sich die daraus ergebende Flexibilität und über allem die Leidenschaft für ein bestimmtes Studium und seine Inhalte entscheidend für den Erfolg unserer Studentinnen und Studenten sind. Die einzige Torheit oder Myopie stammte von Herrn Landfried, der offensichtlich nicht wahrgenommen hat, dass diese Erkenntnis zu mehr Eltern als Hochschullehrerinnen und –lehrern und den universitären Wissenschafts­politikern vorgedrungen ist, wenn wie an unserer Universität ein dauernder Kampf gegen Windmühlen geführt werden muß, weil Studentinnen und Studenten oft zu spät das Gesamtspektrum der möglichen Studienberatungen wahrnehmen und durch das unfertige Prokrustesbett, auf „kompetenten“ Rat hin glauben, Wirtschaft und Philosophie studieren zu müssen, längst unheilbar verbogen sind bzw. ge­samtuniversitäre oder gar gesamt-wissenschaftspolitische Vorgaben wie die Einführung des B.A.-Studiengangs ohne Rücksicht auf Fachinhalte und Grunder­fordernisse wissenschaftlichen Arbeitens den Studentinnen und Studenten ein berufsbildendes Studium vorgaukeln und damit sich selbst und alle Betroffenen langfristig betrügen.
Nach den mir bekannten Strukturplänen der Johannes-Universität soll meine Pro­fessur nach meinem Ausscheiden auf W2 hinabgestuft werden. Die Stelle einer Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich der für die Philosophie notwendigen Sprachausbildung trägt einen kw-Vermerk.
Auf dem Papier mag die Philosophie der Johannes-Universität einigermaßen strukturiert wirken, in ihrem Kern ist sie tatsächlich verrottet. Innerfachliche Kommunikation wird von vielen verweigert, gleichgültig, ob es sich um die Bi­bliotheksorganisation, die Lehre oder ad hoc die Philosophie betreffende Fragen handelt. Dieser Vorwurf geht auch formal – nicht nur tatsächlich – in diese Richtung, da sich einzelne viele Jahre als Geschäftsführende Direktoren oder rechtlich nicht legitimiert als Institutsdirektoren geriert haben und auch auf den unteren Ebenen immer wieder einzelne Mitarbeiter Außen- und Innenangele­genheiten des Philosophischen Instituts – Sie verzeihen mir den Verzicht auf den Terminus Modul – selbständig und ohne Rücksprache mit den Betroffenen organisiert haben. (Natürlich nannte Guby Namen, die hier aus Rücksicht auf den eigenen Seelenfrieden unterschlagen werden.) Über Jahre hinweg z.B. hat die Bibliothek nicht interessiert, im Gegenteil wurden alle Vorschläge, die meinerseits diesbezüglich gemacht wurden, abgeblockt, ob es um die Kaufpolitik, Räume oder die elektronische Katalogisierung ging. Im Laufe der Zeit wurden alle Studenti­schen Hilfskräfte aus der Bibliothek abgezogen – möglicherweise einer törichten universitären Politik vorgreifend, diese nicht mehr für den Bibliotheksbereich einzustellen, mit dem Ergebnis, dass ich bei meinen leider auch zu seltenen Besu­chen in der Universitätsbibliothek zumindest einmal erstaunt gefragt wurde: „Wie, Sie kommen selber hierher?“ Offensichtlich sind verbessernde Maßnahmen in der Bibliothek nur möglich, wenn zusätzliche Forderungen an die Universität gestellt werden.
Da nicht einmal im Hause auf Kommunikation Wert gelegt wird, ist es nicht ver­wunderlich, dass dies auch mit benachbarten Disziplinen nicht geschieht, allenfalls in der Form, dass neue oder scheinbare neue Studiengänge – wohl kaum kostenneutral – eingefordert oder eingerichtet werden wie der aus Gründen der political correctness nur schwer angreifbare Gender-Studiengang. Stattdessen wird rücksichtslos die Kompatibilität mit philosophischen Studiengängen anderer Universitäten außer acht gelassen und spielt keine Rolle. Es wurden sogenannte Pilot-Studienprojekte ohne Absprache eingeführt, die zumindest zeitweise den Studienverlauf, die sogenannte Regelstudienzeit erheblich erschwerten und dazu geführt haben, dass ein Teil der Studenten lieber als Gasthörer die überlaufenen, aber vom Aufwand den Anforderungen entsprechenden Lehrveranstaltungen in Bielefeld oder Münster besuchen. Es wurde ein B.A-Studiengang „entwickelt“ und vehement vertreten, der sich grundsätzlich nur durch das Etikett „B.A.“ vom Grundstudium im Magisterstudiengang unterschied. Die Möglichkeiten der Modu­larisierung wurden dadurch ad absurdum geführt, dass die Grundstudiumsanteile lediglich die Bezeichnung „Module“ erhielten, statt die Chance zu nutzen, die vor­handenen Ressourcen besser einzusetzen und damit auch der Vielfalt der stu­dentischen inhaltlichen Studieninteressen entgegenzukommen. Vielleicht wäre es auch eine Nachfrage wert gewesen, warum das Modul der Political Governance im laufenden Semester einen eigenen Kurs „Geschichte der politischen Philo­sophie“ anbietet und durchführt.
Themenfelder werden willkürlich besetzt und nur angeblich vertreten. Gewiß macht es zunächst Sinn, über ihre Arbeitsplatzbeschreibung die Betroffenen abzufragen, welche Bereiche sie vertreten bzw. vertreten können. Dass dies allein genügt, um Kompetenz zu begründen, kann ich mir nicht vorstellen. Wie der Wert solcher Selbstbeschreibungen von Seiten der Universität gesehen wird, scheint mir aus meiner eigenen vor Jahren eingereichten Selbstbeschreibung hervorzugehen. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich neben den im Ausschreibungstext genannten Themenkomplexen auch geschrieben habe, dass ich alles das anbiete, was vom sonstigen Lehrkörper nicht angeboten wird, nach meinem Verständnis aber zu den unverzichtbaren Inhalten der Philosophie gehört, d.h. ich habe mich durch Einführungen der Literatur-, Philsophie- und Religionsgeschichte gequält, gewiß nicht meine Kompetenzfelder. Ich nehme an, meine Selbstbeschreibung wurde ungelesen – allenfalls aus denunziatorischem Interesse – abgeheftet.
Im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen und Leistungsmittelzuweisungen wird nach meiner Überzeugung viel zu oft nach bloßen Absichten gefragt. Es sollte vielmehr der Ist-Zustand abgefragt und kontrolliert werden. Das gilt für durchge­führte Examina auf allen Ebenen, für Publikationen, vielleicht verbunden mit der Abgabe eines Pflichtexemplars an die UB oder das Universitätsarchiv, und vor allem für Drittmitteleinwerbungen, bei denen in den letzten beiden Durchgängen nach gestellten Anträgen gefragt wurde. Das scheint mir Quatsch zu sein bzw. kann ein solches Abfragen zu einem späteren Zeitpunkt dahingehend pervertiert werden, dass gescheiterte Anträge Maluspunkte verursachen. Gescheiterte Anträge kosten ebensoviel Arbeit wie erfolgreiche, die Gründe für eine Absage jedoch können vielfältiger Natur sein, heute angesichts knapper Kassen oft aufgrund zu hoher Kosten oder fachexterner Relevanzkriterien – Relevanz ist einer der gefährlichsten Begriffe unserer Gegenwart für wissenschaftliches Arbei­ten.“ Später, als er noch weniger zu verlieren hatte und sehenden Auges die Entwicklung der Johannes-Universität beobachtete, erinnerte er sich an jesuitische Aussprüche und übernahm die zeitgebundenen und immer noch zeitgemäßen Worte des Pieter Kanijs: „Wir übertreffen die Juden in Wucher, die Türken in Völlerei und Trunksucht, die Heiden in Geiz und Schlechtigkeit, die Tiere in Unzucht und Ausschweifung. Unsere Universität ist zu einem Schwätz-, Kauf- und Tanzhaus geworden.“

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