Wenn ich
Nachts nicht schlafen kann, paare ich mich nicht mit den Kreisler’schen Tanten
zum Tanz, sondern drehe mich auf die unbequemere linke Seite, um die
Zeitanzeige auf meinem Radiowecker zu
registrieren.
Ich glaube,
inzwischen habe ich zu verschiedenen Zeiten alle Zeiten zwischen 22 Uhr und
sechs Uhr dreißig abgehakt und beobachtet welche möglichen Bilder durch die
Zahlen entstehen. Am besten gefallen mir Kombinationen mit der fünf und zwei.
Zweiundfünfzig erinnert mich immer wieder an die Urne mit der Asche vom Onkel
Fritz, wenn ich weniger makaber gelaunt bin, auch bloß an eine Vase, die
Fünfundzwanzig an ein Tintenfass. Die Sechsundzwanzig ist ein Henkelkrug (Natürlich ist es die Neunundzwanzig, aber das ist eben die Müdigkeit). Doch
steht die fünf für die Stunde und die zwei für die Zwanzigerminuten, dann ist
der Doppelpunkt zwischen den beiden Zahlen die fast platzende Knopfreihe auf
einem Wams, in dem ein Bauchmensch steckt, umgekehrt ist es genauso, die Knöpfe
bleiben, nur der Schwerpunkt ist tiefer gelegt („Das Herz in der Hose“). Die
Siebenundfünfzig ist ein auseinanderstrebendes, die Siebenundzwanzig ein auf
einander sich zubewegendes Tanzpaar. Drei oder vier Zweien bzw. Fünfen sehen
aus wie minoische Tänzerinnen, die einmal nach links und dann nach rechts
vorbeitänzeln, einzeln repräsentieren sie eher ostasiatische Tänzerinnen mit
überlangen schwingenden Ärmeln. Die anderen Zahlen und Zahlenkombinationen
haben mich bisher nicht inspiriert, u.a. auch, weil die Zahlenzusammensetzungen
durch einen Sechzigerzyklus begrenzt sind, wobei zu allem Überfluss auch noch
die Sechzig auf Null(null) reduziert wird. Allerdings gibt es längere Wartezeiten
zwischen den mir gefälligen Zahlenkombinationen. Dann nehme ich die Quersumme
der Ziffern und die der für ihre Darstellung notwendigen Teilstriche und teile
die erste durch die zweite Quersumme und erhalte einen sympathisch sinnlosen Wert, mit dem ich in irgendeiner Weise meine Schlafqualität und seine Dauer zu mathematisieren hoffe. In der Regel, wenn nötig – und oft so – schaffe ich es bis zur
dritten Stelle nach dem Komma, für mehr fehlen mir dann Papier und Bleistift.
Schnell geht es mitKombinationen aus den Zahlen vier, fünf und sechs, die auch
die entsprechende Anzahl von Strichen zu ihrer Darstellung benötigen. Mit zwei
und neun (fünf bzw. sechs Striche) und eins und acht (zwei und sieben Striche),
lässt sich minimal unübersichtlicher auch der Quotient „eins“ errechnen, und immer
wieder bin ich fürbass erstaunt, dass so unglaublich krumme Zahlen aus fast
nichts herauskommen können.
Seit einigen
Tagen sehe ich nicht mehr nur ein Vergnügen in diesem Zahlenspiel, sondern die
Zeitung hat mir mit einem ganzseitigen Artikel die Rechtfertigung für mein Tun
geliefert. Ich verzögere mit einer solchen Übung offensichtlich meine drohende
digitale Demenz. Ich glaube es war der gleiche Artikel, der mich darüber
informierte, dass zweisprachig aufgewachsene Kinder, die die Zweisprachigkeit
auch später in ihrem Leben praktizieren, Alzheimer 5.1. Jahre später bekommen
als solche, die nicht. Der Grund soll die größere Masse des/eines Gehirns sein.
Auf der
letzten Seite des Times Literary Supplement vom 21. September dieses Jahres
berichtet der Monogrammist J.C., dass Hemingway siebenundvierzig alternative
Schlusssätze für „A Farewell to Arms“ ausprobiert habe. Eine solche Mühe mache
ich mir nicht, bin wohl auch nicht dazu in der Lage, weil das viele Wachen die
vierundzwanzig Stunden des Tages vernebelt.
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