Vor zwei
Nächten träumte ich, dass ich einen begeisternden Vortrag über den Buddhismus
hielt. Es gab eine noch nie erlebte lebhafte Diskussion, und ich wachte
ungemein zufrieden auf. Das fand ich übrigens passabel lustig, da ich keine
Ahnung vom Buddhismus habe. Als ich um einige Jahrzehnte jünger war, sollte ein
etwa gleichaltriger und im Gegensatz zu mir politisch aufgewühlter Bekannter,
fast Freund, im kleinen Kreis über eben dieses Thema sprechen. Nach etwa fünf Minuten
Schweigen dachten wir alle und ausnahmslos, er habe den Faden nicht gefunden.
Dann kam der erste Satz: „Das war die Einleitung.“ Angesichts des Schweigens
gewiss ohne Ausrufezeichen zu denken.
Ich komme
auf „lustig“, weil ich damit zur Zeit im Wachzustand meine Schwierigkeiten habe.
Durch die Tür, durch die die Gedanken hereinzukommen pflegen, kommen formlose
nicht identifizierbare Gebilde, nichts Lustiges, nichts Witziges, nichts
Amüsantes oder Süffisantes. Allenfalls an einer Ecke kann man mit einem
Vergrößerungsglas etwas Zynisches und etwas Launisches, nichts Launiges erkennen.
Vielleicht ist es das schwindende Kurzzeitgedächtnis oder eine falsche
Therapie, wenn ich mit Wohlwollen einen Text zur chinesischen Autoindustrie
lese und ihn ähnlich lose gestrickt empfinde wie „Cranford“ nach erneuter
Lektüre nach etwa fünfzig Jahren und zum Schluss beiseite lege mit der
Überzeugung, trotzdem etwas erfahren zu haben. Und doch erscheint es unfertig,
etwas, was sich vielleicht aus meiner weiteren Nebenbeilektüre ergibt, so wie
ich versuchte, die „blauen Blusen“ unterzubringen, die vor dem 22. Oktober 1927
auch in Lübeck gastierten. Natürlich wurde ich bruchstückhaft über Google
fündig, vergeblich las ich – immer noch nicht ganz zu Ende, weil überaus spröde
und Namen herabtropfen lassend, von Juri Jelagin „Zähmung der Künste“ aus dem
Amerikanischen übersetzt von Hans Dieter Müller. Stuttgart: Steingrüben 1954.
Auf Seite 228 und etwas häufiger hatte ich dann aber doch ein Erlebnis, das
mich in andere und ältere Schichten meiner Erinnerung zurückführte, als ich
las:
„Dieser
ehrenhafte, selbstlose Mann und hervorragende Musiker [Igumnow] wurde [1929 als
Direktor des Moskauer Konservatoriums] durch einen Kandidaten der Vereinigung
[Proletarischer Musiker] ersetzt, der Pschibujschewskij hieß. Pschibujschewskij
war von Geburt Pole, ein Verwandter des mehr berüchtigten als berühmten dekadenten
Schriftstellers gleichen Namens, kein Musiker, dafür aber Parteimitglied, was
diesen kleinen Schönheitsfehler wieder ausglich.“
Der mehr
berüchtigte als berühmte dekadente Schriftsteller ist doch der oft namentlich
und u.a. für die „Eifersucht“ von Edvard Munch portraitierte Stanislaw
Przybyszewski. J.P. Hodin in „Edvard Munch. Der Genius des Nordens“. Stockholm:
Neuer Verlag 1948 zitiert auf Seite 52 Meier-Graefe,
eine Darstellung, die zu lesen sich lohnt, aber zu Jelagin passt wohl besser
der Schluss eines Versuchs einer Beschreibung von Jens Thiis auf der folgenden Seite einer etwas ausgedehnten
Party, die bei Richard Dehmel begann und bei den Przybyszewskis endete: „Hier
verschwand plötzlich der Wirt. Als wir ihn suchten, fanden wir ihn nicht in
seinem Bett, sondern draussen im Holzspeicher, wo er splitternackt auf einem
hochaufgestapelten Stoss Birkenscheite sass und ganz für sich allein den Teufel
spielte. So stark hatte [Gustav] Vigelands Hölle auf ihn gewirkt.“ Die
Gewohnheit meiner Eltern, Schnippsel in den Büchern zu verbergen, ließ mich im
Hodin auf die Kopie eines Prosagedichts von Kolbein Falkeid über die Frau Przybyszewskis,
die Norwegerin Dagny Juell, stoßen. Und trotzdem kann ich mich den „blauen
Blusen“ wieder nähern, da sie zumindest kurz, aber eben doch, in „Raumkonzepte.
Konstruktivistische Tendenzen in Bühnen- und Bildkunst 1910-1930“, einer
Ausstellung im Städelschen Kunstinstitut vom 2. März bis 25. Mai 1986 und dort
auf der Seite 273 und wohl, wenn auch ohne Benamung, auf der Seite 293 auftreten.
Wo ist der
Grund zu suchen, dass ich mich trotz Kopfschmerzen jetzt besser fühle?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen