Montag, 5. April 2010

An English gentleman's wife

Das erste, was wir zu Hause von Victoria Sackville-West lasen, war das tatsächlich von Kurt Wagenseil übersetzte All Passion spent, Erloschenes Feuer als Band 31 der Fischer Bücherei aus dem Mai 1953, doch wurde The Edwardians als erster Avon Druck aus New York im Mai 1975 zumindest von meiner Mutter ganz anders in Besitz genommen, indem im Rückeneinband die Adresse eines Teeladens, Costaria Tee, 8 München 2, Kaufingerstr. 23, erscheint. Im vorderen Einbanddeckel findet sich in Mamas Handschrift „Frau von Alschibajas Käse“:
„Lab bestellen.
5 Liter Milch werden erwärmt bis auf 35◦.
Dann kommt Lab herein und gut umrühren aber nicht lang. Dann in einer Ecke ruhig stellen ca. 2 Stunden oder länger. Nicht zudecken.
Mit ganz sauberen Händen ein Kreuz in der Masse machen. Etwas Flüssigkeit drängt heraus und wird abgegossen.
Dann wird die Masse mit der Hand auseinandergebrochen und mit kochendem Wasser übergossen. Vorsichtig Käsemasse und Wasser mischen. Dann stehen lassen bis die Masse sich gesammelt hat. In ein Sieb mit „Mullbinde“ gießen. Sollte es nicht gelingen, kann Masse wieder etwas aufgewärmt werden. (Fortsetzung:) Im Sieb ca, 2 Stunden lassen. Herausnehmen und formen. Noch Flüssigkeit herauslassen. den geformten Käse mit kaltem Wasser abspülen und mit grobem Salz auf beiden Seiten bestreuen.“ Allerdings hatten die Damen Sylvia und Lucy anderen Gesprächsstoff, mit sehr viel größerer Diskretion, wenn auch kaum geringerer Eindeutigkeit, als in der Biographie des Sohnes Nigel Nicolson.
Sollte man im zweiten Atemzug nach Victoria Sackville-West die schamlosen Bücher nennen, die man hoffentlich nie selber gekauft hat, die aber doch mein Eigentum waren – und wenig zerlesen überdies? Von 1978 bis 1980 sind drei Bändchen erschienen: 1. Sutherland, Douglas, The English Gentleman. Introduction by Sir Iain Moncreiffe of that Ilk, Bt, Drawings by Timothy Jaques. London: Debrett’s Peerage Ltd 1978. 2. Southerland, Douglas, The English Gentleman’s Wife. Foreword by Diana, Duchess of Newcastle. Introduction by Lady Windlesham (Prudence Glynn). Drawings by Timothy Jaques. London: Debrett’s Peerage Ltd. 1979. 3. Sutherland, Douglas, The English Gentleman’s Child. Preface by Lord Elphinstone. Illustrated by Timothy Jaques, New York: The Viking Press 1980, das eine alberner und nichtssagender als das andere, einschließlich der angenommenen Impotenz des Gentlemans. Auch Elizabeth Bowen (1899-1973) war an English Gentleman’s wife, versuchte dem nachzuspüren, was geschieht, wenn der Deckel von einem Topf fliegt, und wie ganz anders typologisch schärfer Rose Macauleys (1881-1958) Gestalt der Helen Michel: „She was one of the rare women who are almost as highly sexed as a man; yet she took sex casually in her stride; it was not an aim of existence, but a pleasure by the way, to be taken simply, directly, frankly, then laid aside for some other pleasure. She had been in love with her first husband and with her second; her grief for Maurice opened the door to any solace that came her way. Lucien admired her enormously, finding in her a woman’s beauty and the mind, grasp, and wit of a man. He guessed in her, too, a masculine freedom and sensuousness; most women, he held, loved not with their senses but with their sentiments.” (Macauley, Rose, The World my Wilderness. Harmondswoth: Penguin Books Ltd. 1958 (Penguin Books 1257) ursprgl. Collins 1950), S. 29. Als ein à propos: In diesem Penguin-Bändchen von 1958 wird am Schluss Reklame für die Buddenbrooks und zwei Kurzromane der Colette gemacht. Im Werbetext heißt es: „Buddenbrooks had already achieved great success in Germany before it was banned and burned by Hitler.”) In gewisser Weise scheint dies ein überzogenes Selbstportrait zu sein, was völlig dem boshaften Bild widerspricht, das Virginia Woolf in ihren Tagebüchern und seltener Briefen von ihr zeichnet. Aber nicht allein Helen macht diesen Roman lesenswert und lässt ihn immer noch frisch erscheinen, wunderbar die Grautöne milder Kollaboration des Maurice Michel. Vielleicht mag ich auch deshalb den defensiven Umgang der P.G. Wodehouse Society auf ihrer website mit den unpolitischen Torheiten ihres Objekts der Begierde, das Le Touquet nicht verlassen wollte, weil seine Hunde ein halbes Jahr in britischer Karantäne hätten bleiben müssen. Weniger sanft sind die Norweger mit den etwas größeren Torheiten Knut Hamsuns umgegangen.
Virginia Woolf beschreibt Rose Macauley Ende Oktober 1920 gegenüber Hope Mirrlees „Poor dear Rose, judging from her works, is a Eunuch – thats what I disklike about Potterism [Satire von R. Macauley 1920, über die V.W. am 10. August 1920 in ihrem Tagebuch schreibt: „…a don’s book, hard-headed, masculine, atmosphere of lecture room, not interesting to me –„]. She has no parts. And surely she must be the daughter of a don? Faith I dislike;” (Leave the Letters Till we’re Dead. The Letters of Virginia Woolf. Vol. VI: 1936-1941. Hrsg. Nigel Nicolson. London: The Hogarth Press 1980, 2. 497.). Im Tagebuch am 18. Februar 1921 ist das Urteil in dieser Zeit noch schärfer: „Rose Macauley dined here last week – something like a lean sheep dog in appearance – harum scarum – humble – too much of a professional, yet just on the intellectual side of the border. Might be religious though: mystical perhaps. Not at all dominating or impressive: I daresay she observes more than one thinks for. Clear pale mystical eyes. A kind of faded moon of beauty: oh & badly dressed. I don’t suppose we shall ever meet for she lives with Toyd Smith, & somehow won’t come to grips with us.” Auch am 5. Juni 1921 kann sie nichts mit dem Witz Rose Macauleys anfangen (The Diary of Virginia Woolf. Vol. II: 1920-24. Hrsg. Anne Olivier Bell. Harmondsworth: Penguin Books 1981 (ursprgl. 1978), S. 57, 93, 123), anders, nämlich ein wenig anerkennender, wenn auch wieder ein Zusammenhang zwischen Aussehen und Verhalten hergestellt wird, die längere Tagebucheintragung vom 24. Februar 1926, an die sich dann am 31. Mai 1928 eine Neidvermutung anschließt, obwohl Rose Macauley den Prix Femina dieses Jahres bekommt (The Diary of Vorginia Woolf. Vol. II: 1920-24. Hrsg. Anne Olivier Bell. Harmondsworth: Penguin Books 1981 (ursprgl. 1978), S. 57, 93, 123). Und am 24. Januar 1934 nennt sie sie gegenüber Quentin Bell eine „mummified cat“ (The Diary of Vorginia Woolf. Vol. II: 1920-24. Hrsg. Anne Olivier Bell. Harmondsworth: Penguin Books 1981 (ursprgl. 1978), S. 57, 93, 123), am 5. November 1935 „we met old stringy Rose Macauley, beating about, like a cat a hawking odds & ends;” (The Diary of Virginia Woolf. Vol. IV: 1931-1935. Hrsg. Anne Olivier Bell. Harmondsworth: Penguin 1983 (ursprgl. 1982), S. 351. Kurz davor, am 22. October (S. 347), schreibt V.W., dass sie nach Gesprächen mit Rose Macauley und Elizabeth Bowen “I have a dull heavy hot mop inside my brain next day…”). Offensichtlich war Elizabeth Bowen Virginia Woolf kongenialer, obwohl die letztere etwas tat oder vielleicht auch nur meinte tun zu müssen, einem anderen Menschen dessen Seele zu entdecken. Der Fall war sehr ähnlich, in Wien, nur auf der männlichen Hälfte der Menschheit angesiedelt, einem reizenden Ingenieur, Ende dreißig, klar zu machen, dass er homosexuell sei, es nur bis dahin nicht gemerkt habe. Als Anhänger von das Leben erleichternden Lebenslügen hat mir dies nicht gefallen. Und so schreibt Virginia Woolf an ihre Freundin Victoria Sackville-West am 10. Mai 1934, dass sie sie eifersüchtig machen wollte mit heimlichen Wünschen gemeinsam mit Elizabeth Bowen über einem Wunschbrunnen in Stratford on Avon. Die „Analyse“ erfolgte bereits am 18. Oktober 1932 in einem Brief an eben Victoria Sackville-West: „Anyhow my Elizabeth [Bowen] comes to see me, alone, tomorrow. I rather think, as I told you, that her emotions sway in a certain way. (that’s an elegiac) I’m reading her novel to find out. Whats so interesting is when one uncovers an emotion that the person themselves, I should say herself, doesn’t suspect. And its a sort of duty don’t you think – revealing peoples true selves to themselves? I don’t like these sleeping princesses.” (The Sickle Side of the Moon. The Letters of Virginia Woolf 1932-1935. Ed. Nigel Nicolson. London: The Hogarth Press 1979, S. 111, 303) Und ist es umgekehrt eine Liebeserklärung, wenn Elizabeth Bowen ihren letzten Eindruck von Virginia Woolf widergibt? „The last day I saw her I was staying at Rodmell and I remember her kneeling back on the floor – we were tacking away mending a tron Spanish curtain in the house – and she sat back on her heels and put her head back in a patch of sun, early spring sun. Then she laughed in this consuming, choking, delightful, hooting way. And that is what has remained with me.” (Leave the Letters Till we’re Dead. The Letters of Virginia Woolf. Vol. VI: 1936-1941. Hrsg. Nigel Nicolson. London: The Hogarth Press 1980, S. 473)
Ich las The House in Paris von 1935 als Penguin Book (complete, unabridged) Nummer 535 aus dem Jahre 1946. Stimmt es, dass Kinder einander nicht anlächeln, sondern formell miteinander umgehen (S. 19)? Oder in einem bestimmten Alter nur – hier neun und elf? Meine Tochter bestreitet dies. Noch ist die Heldin Karen, des Mittelteils „Past“ dieses Romans nicht eines British Gentleman’s wife, aber sie benimmt sich bereits so, wenn sie Max in Boulogne und Folkstone trifft und dann die Nacht in Hythe mit ihm verbringt, eigentlich doch auf Kosten einer Naomi Fisher.
Manche Leute machen aus fast nichts etwas, was nichts ist, aber dennoch veröffentlicht wird, so nämlich John Malcolm Brinnin, wenn er einen Kurzbesuch nach dem Kriege bei Elizabeth Bowen in Irland beschreibt. Einmal mehr kommen eher Klatschgeschichten durch, mit wem oder auch nicht, und die Personen rutschen auf ein Niveau, das ihre Romane nicht haben Brinnin, John Malcolm, Sextett. T.S. Eliot & Truman Capote & Others. London: Andrew Deutsch 1982, pp. 163-177).
Though Rex Warner has an entry in Wikipedia I never read him, never heard about him, even if three books by him are announced at the back of The House in Paris, The Aerodrome, The Professor, The Wild Goose Chase, all as Penguin Books. The same holds true with the list of “new and recent Penguins”. Of twenty seven names I seem to know only four.
Aber irgendwie wird man mit den British Gentlemen’s wifes nie fertig. Nehmen wir nur die Mitford Töchter, Rosamund Lehmann, Iris Murdoch oder Antonia Fraser, aber darüber später, weil ich immer einmal meine Erinnerungen auffrischen muss.

Pelham Grenville Wodehouse (1881-1978) haben mein Vater und ich sicherlich nie vollständig gelesen – mehr als hundert Romane, aber immer mit Vergnügen auf Englisch, Dänisch, Deutsch. Übrigens konnte mein Vater, wenn man seine Aussprache ausblendete, hervorragend Englisch – nicht als Selbsteinschätzung, auf der hurtigruten fragten die Ausländer nach dem blonden „Norweger“, wenn sie touristisch aufgeklärt werden wollten, im frankophonen Belgien hielt man ihn für einen Franzosen, Russisch parlierte er ohne jegliche Mühe, ob wie ein Eingeborener, kann ich nicht beurteilen, und er konnte bestimmte Leute kränken, wenn er heraushörte, aus welchem Stadtteil von Chemnitz sie stammten. Der jetzt aussortierte kleine Wodehouse-Stapel besteht mit einer Ausnahme aus dem Puffin-Bändchen Tales of St Austin’s 1972 (ursprgl. 1903), den Penguin Books Psmith in the City 1970 (ursprgl. 1910), Uneasy Money 1960 (ursprgl. 1917), Meet Mr Mulliner 1967 (ursprgl. 1927), Laughing Gas 1971 (ursprgl. 1936), Uncle Fred in the Springtime 1966 (ursprgl. 1939), The Mating Season 1971 (ursprgl. 1949) und schließlich sogar eine Erstausgabe Money for Nothing. London: Herbert Jenkins 1928.
Und dann hinüber zu den Amerikanern, in diesem Falle von des Gedankens Blässe angekränkelt Lionel Trilling (1905-1975) – einen seiner Schüler, Jack Kerouac las ich lange vor ihm, aber dennoch schön der Auszug aus dem Listener „ ... the most important novel by a non-genius since A Passage to India“. The Middle of the Journey, ein Penguin Book aus dem Jahre 1963, wird von Menschen bevölkert, die fast, aber nur fast, schön zu nennen sind, das ist es aber nicht allein, der Autor erliegt seiner „bookishness“. Ist es das, was mit non-genius gemeint ist oder ist es die Sympathie, die sich nicht in Liebe verwandelt? Ein anderer Aspekt ist das Gegenteil der milden Kollaboration, der schmerzhafte Bruch mit der Partei, der Verlust des Glaubens an diese. Zu seinem Roman heißt es: „Trilling wrote one novel, The Middle of the Journey (1947), about an affluent Communist couple's encounter with a Communist defector (whom later Trilling acknowledged was inspired by his Columbia classmate Whittaker Chambers).”
Mein Problem mit den Amerikanern: Ein Signet Taschenbuch sagt auf dem Außenumschlag: „The Depths of Human Experience – Theodore Dreiser’s Greatest Novel. An American Tragedy. Signet Books. A Popular Condensation. Das Titelblatt nennt ausführlicher „Abridgment and Introduction by George Mayberry“ Es ist ein Erstdruck in dieser Form aus dem Jahr 1949 und dazu heißt es weiter: „This edition of An American Tragedy has been abridged with the approval of Mrs. Theodore Dreiser to make possible its production in this form.“ Die Betroffenheit wächst mit dem Lesen des Anfangs der Einleitung von Herrn Mayberry: „In attempting to abridge An American Tragedy, I have had the occasion more than once to complain to friends of the difficulty of the task. Without exception the response has been, “Why that should be the easiest job in the world. If anybody ever needed it, it was Dreiser.” To be sure, each of his books is improved by simply eliminating every third adjective, reducing the rhetorical statements of his philosophy to a minimum and whittling away at the superfluous detail he brought to the description of a building, a city, a street or a character.
But as H.L. Mencken on several occasions has carefully pointed out, his greatness – and the word is used advisedly – depends in large part on “its sheer bulk” (…).”

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