Donnerstag, 22. April 2010

...und nie Gelesenes

Wohl doch ein Freund erzählte mir immer wieder von Albert Wesselski, zu dem ich mit einer Ausnahme (Deutsche Märchen vor Grimm. Hrsg. von Albert Wesselski. Mit 40 Federzeichn. von Fritz Kredel. 27. - 31. Taus. Brünn: Rohrer, 1943. Abb., 299 S., 8°, OPpmS.) nie gelangte, so wie nie nach Tulln in Niederöstereich, weil ich mich immer verfuhr. Der Zusammenhang ist klar, wenn der selbe Freund Bücher aus dem Georg Müller Verlag sammelte (Georg Müller 1903-1908. Katalog der in den ersten 5 Jahren erschienenen Bücher. München 1908 [Mit Beiträgen von Georg Müller, Bierbaum, Ewers, Schaukal, Schlaf u.a., Bildbeigaben von Renner, Halm, Bayros, Pocci, E.R. Weiss]).
Das lachende Buch, Hrsg. A. Wesselski. Mit 50 Zeichnungen von H. Meyer. Leipzig: J.M. Meulenhoff
Wesselski, Albert, Mönchslatein, Erzählungen aus geistlichen Schriften des XIII. Jahrhunderts. Leipzig: Wilhelm Heims 1909
Paul Scheerbart habe ich einmal an einen englischen Freund mit pfälzischer Großmutter und Sommerferien in Harlech verschenkt.
Fischer, Ruth und Franz Heimann, Deutsche Kinderfibel. Mit Abbildungen auf Tafeln und mit Kinderzeichnungen im Text. Berlin: Rowohlt 1933 (*Rowohlt Almanach 1962, S. 623. Erste Ausgabe. Ruth Fischer (eig. Elfriede Golke, 1895-1961) war polit. Publizistin und ihr Hauptwerk: Stalin und der dt. Kommunismus. Das hier vorliegende Werk wurde bei Erscheinen beschlagnahmt und der weitaus größte Teil der Auflage vernichtet.)
Ehrenstein, Albert, Chinesische Dichtungen. Lyrik und Prosa. Hrsg. Hanni Mittelmann. Werke Bd, 3/I und Bd. 3/II. München: Klaus Boer Verlag 1995. 1032 S. geb. DM 198,00
Dazu Weinzierl, Ulrich, „Drüben grünt das Bäumlein Ko: Albert Ehrenstein hat auch Chinesisches gedichtet“, in: FAZ 26. März 1996, S. 40: „Ausgaben sämtlicher Werke haben den Vorzug, der ihnen in der Praxis manchmal zum Schaden gereicht: Leicht kann die durch angestrebte Vollständigkeit erzielte Quantität die Qualität erschlagen, die Fülle der ausgegrabenen Texte macht dann das Profil eines ohnehin halbvergessenen Autors undeutlicher statt schärfer. Am Beispiel des Wiener Expressionisten Albert Ehrenstein, der wunderbare Gedichte schrieb und mit seinem „Tubutsch“ ein Gründungsmonument moderner Prosa, läßt sich das überzeugend nachweisen. Hanni Mittelmann begann ihre rühmenswerte Ehrenstein-Arbeit 1989 mit einer Briefauswahl, 1991 folgten die Erzählungen. Der nun publizierte Doppelband „Chinesische Dichtungen“ bekommt jedoch dank seiner mehr als tausend Seiten – zumindest ästhetisch gesehen – ungebührliches Gewicht innerhalb des Œuvres.
Was Forschern nützlich sein mag, verstört Literaturliebhaber. Albert Ehrenstein übersetzte die großen Poeten des alten China nicht, er dichtete sie nach und um: das klassische Liederbuch „Schi-King“ ebenso wie Po Tschü I oder Li Tai Po. Aus dem populären Epos des 14.Jahrhunderts „Shui Hu Zhuan“ destillierte er den Roman „Räuber und Soldaten“.
Die Vorlage allerdings akzentuierte er stark autobiographisch, als wär’s ein Stück von ihm: Rebellion und Außenseiterschicksal, der Kampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker, Sehnsucht nach Frieden im kleinen waren seine Lebensmotive. „Hier und immer/Starb arm ein Dichter-/Der Reichste ging von uns“ heißt es da über Li Tai Po, und der Epitaph ist auch ein vorweggenommener für den jüdischen Emigranten Albert Ehrenstein, der 1950 in einem New Yorker Armenspital seinen letzten, gequälten Atemzug tun sollte. Aber allzu häufig stoßen wir hier auf Chinoisaerien, die uns heute kaum etwas sagen. Wer sich angesichts der Verse „Drüben grünt das Bäumlein Ko/Auf dem Hügelein Mo-Kio“ ergriffen zeigt, ist ein Heuchler aus Pietät.
Kurzum, Hanni Mittelmann und der Verlag haben sich, auch durch das umfängliche Variantenverzeichnis im Anhang, erhebliche Verdienste um einen Spezialzweig der Germanistik erworben, Kärrnerdienste für Bibliotheken und Seminare geleistet. Wir indes warten ungeduldig auf den Abschluß der Ehrenstein-Ausgabe. Denn erst in seiner ureigenen Lyrik und in den polemischen Essays wird sich wieder jener Sprachkünstler zu erkennen geben, dessen privates Unglück Format besaß, der existenziellem Jammer und politischer Verzweiflung mit aggressivem, selbstzerstörerischen Witz allgemein gültigen, faszinierenden Ausdruck gab.“
Und immer wieder die FAZ: Am 24. Oktober 2009 besprach Wolfgang Schneider Curzio Malaparte: „Die Haut“. Roman. Gekürzte Lesung mit Matthias Habich. Osterwald Verlag, Hamburg 2009. 6 CDs, 413 Min. 29,95 €, also von dem Mann der eigentlich Kurt Erich Suckert hieß und von 1898 bis 1957 lebte.

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