Donnerstag, 8. April 2010

Fast in Übersetzung verloren

Bei meiner Schwester – und das muss ich genauer erfragen – stehen noch zwei Übersetzungen Jane Austens mit den deutschen Titeln Stolz und Vorurteil und Anne Elliot, wenn ich mich recht erinnere vom Verlag Kiepenheuer, herausgekommen Ende der vierziger Jahre. Inzwischen habe ich meine Schwester gefragt:
„Stolz und Vorurteil übersetzt von Margarete Rauchenberger[, die möglicherweise damals ihre Übersetzerkarriere begann, denn sie wird auch noch 2000 bei Surkamp und Insel als Übersetzerin genannt. Auch Stolz und Vorurteil als Insel-Taschenbuch ist ihre Übersetzung. Als ich 2000 im Krankenhaus war, kaufte und las ich Werner Beyers Übersetzung als Fischer Taschenbuch 2205, eine Lizenzausgabe vom List Verlag 1965, mit einem Nachwort von Helmut Findeisen (nicht sehr bedeutend, aber zumindest der Nachname erinnert an einen Ethnologen in Nordost Sibirien). Was die Übersetzungen anbelangt, fehlen mir im Moment die Vergleichsmöglichkeiten. Meine Tochter Leyla wünschte sich eine schönere Ausgabe, und nicht ganz unnatürlich war es die aus der Manesse Bibliothek der Weltliteratur, Zürich 2003 in der Übersetzung von Andrea Ott mit einem [etwas überflüssigen, aber doch sehr sympathischen] Nachwort von Elfi Bettinger. Verlagsgruppe Random House: Andrea Ott: Anthony Trollope: Die Claverings. Übersetzt von Andrea Ott Manesse. Hier höre ich mit Andrea Ott auf.], Originaltitel Pride and Prejudice, herausgekommen 1948, Josef Schaffrath Verlag, Köln [Wie schrecklich ist manchmal der Versuch, ein rundes Buch anders zu schreiben, angeblich zu ergänzen, so Janet Aylmers Darcy’s Story, in dem der sympathische Respekt zu langen übernommenen Passagen führt, der gleiche Respekt die Gestalt Darcys keineswegs mit Leben füllt und schließlich auf Englisch mich zweifeln lässt, ob die Bezeichnung Mr. Bennets mal als Bruder von Mr. Gardiner und mal als Bruder von Mrs. Gardiner eine Fehlerinnerung der Autorin, Nachlässigkeit des Lektorats oder eine englische Möglichkeit ist, den Schwager zu benennen.]; Anne Elliot übersetzt von Margarete Rauchenberger, Originaltitel Persuasion, herausgekommen 1948, Josef Schaffrath Verlag, Köln; Backfields von Sheila Kaye- Smith [, verheiratet mit Penrose Fry. Their house, Little Doucegrove, was later owned by novelist Rumer Godden, another female Catholic convert novelist, with a lot of acceptable novels, and the non-pareil The Doll’s House/Das Puppenhaus. Berlin und Stuttgart: Paul H. Ohlert Verlag 1949. Übersetzt von A. Weber.] übersetzt von Paula Saatmann, Originaltitel Sussex Gorse, herausgekommen 1946,Josef Schaffrath Verlag, Köln; Johanna Godden von Sheila Kaye-Smith übersetzt von Paula Saatmann, Originaltitel Joanna Godden, herausgegeben 1947, Josef Schaffrath Verlag, Köln; Waage des Schicksals von Sheila Kaye-Smith übersetzt von Paula Saatmann, Originaltitel The Challenge to Sirius, erste Veröffentlichung in England 1917, herausgegeben 1947, Josef Schaffrath Verlag, Köln; Thomas Shetter von Sheila Kaye-Smith übersetzt von Paula Saatmann, Oberaudorf am Inn, Originaltitel The George and the Crown, herausgekommen 1948, Josef Schaffrath Verlag, Köln. Auf Englisch: The End of the House of Alard by Sheila Kaye-Smith, herausgegeben 1947, by the Albatross LTD. Ein etwas neueres Buch von Sheila Kay-Smith ist Isabella und Jenny, übersetzt von Paula Saatmann, Originaltitel Iron and Smoke, herausgegeben ? ich glaube in den 50 iger Jahren, da war ich mal Mitglied vom Lesering das Bertelsmann Buch, wo dieses Buch auch mit Genehmigung des Josef Schaffrath Verlags, herausgegeben ist.
Das war es vorläufig.
Viele Grüsse an alle
Bergljot”
Die Einschübe in [...] machen den klaren Brief fast unleserlich. War der Josef Schaffrath Verlag damals so bedeutend, oder hat er unsere Lesebedürfnisse in besonderer Weise befriedigt? Auf der Suche im Internet, was aus diesem Verlag geworden sein könnte, fand ich, dass wir zwar Henry Fielding nie in deutscher Übersetzung hatten, dafür aber Mazo de la Roche (1879-1961), Quebec, das mich durch den historischen Tod von James Wolfe und das dazugehörige Gemälde – von wem nur? – sehr beeindruckte, und Alba de Céspedes (1911-1997), Der Ruf ans andere Ufer, das ich zwar als Kind gelesen, aber doch vergessen habe.
Viele Jahre gefiel ich mir darin, dass ich die englische Belletristik besser kennte (?) als die meisten meiner Landsleute, hatte etwas von dem Hochmut Arno Schmidts im Falle von Wilkie Collins’ rotem Schal, angeblich Vergessenes ans Licht zu bringen, obwohl man es – zumindest den Autor – in den Oxford Classics oder in Everyman’s Library problemlos findet, dann haben mich Film und Fernsehen meiner Besonderheiten beraubt – nicht Kathrine Hepburn, sondern spätere filmische Adaptionen haben mir die in meiner Kindheit relativ singuläre deutsche Kenntnis von Louisa May Alcott genommen. Dennoch kam mein Sohn Tuğrul am 15. Februar 2008 aus der Schule und berichtete, er habe als einziger die Autorin von Sense and Sensibility gekannt – neben der Lehrerin natürlich. Manches davon war übrigens nicht Teil der Demokratisierungsmaßnahmen der Besatzungsmächte, sondern entstammte wie z.B. Polyanna dem norwegischen Fundus meiner Mutter, ein Fundus, der, was norwegische Kinderbücher anbelangt, zeitlich so endete, dass aus dem letzten Band von Sonja Hagemanns Barnelitteratur mir nur Alf Prøysen lesender Weise und aus eigenem Antrieb bekannt ist. Dazwischen allerdings liegen Bernt Lie, Barbara Ring, Gabriel Scott und Dikken Zwilgmeyer. Zu Bernt Lie kann man Sonja Hagemann (1970, S. 164-176) lesen, dann verpasst man aber einen Autor mit dem gleichen Einfühlungsvermögen in Kinder wie Arthur Ransome, Erich Kästner und Maurice Sendak, und wenn Volker Schlöndorfs Napoleonbild durch Tolstoi geprägt worden ist, dann das meine durch Peter Napoleon und den Tränen meiner Mutter am Porphyrsarg im Invalidendom. Svend Bidevind Bugge und Anton Bech haben mein Bild von Jungen und Freunden beeinflusst. Einen Teil davon habe ich aus der Reihe Aschehougs utvalgte for gutter von 1939, 1942, 1950 und 1951. Von Barbara Ring (Sonja Hagemann 1970, S. 197-207) sind in einer deutschen Übersetzung, die wahrscheinlich noch bei Bergljot steht, mir „Stadtmaus und Landmaus“ am besten erinnerlich, vor allem die rauchende Tante, die deshalb eigentlich nicht in den Himmel kommen sollte. Gabriel Scott gehört mit Tante Pose zum „ewigen norwegischen Fundus“ und schwarz-weiß verfilmt zum regelmäßig wiederkehrenden weihnachtlichen Repertoire des norwegischen Fernsehens – vielleicht deshalb so kurz abgetan von Sonja Hagemann (1970, S. 232). Dikken Zwilgmeyers Paul og Lollik (Sonja Hagemann 1970, S. 193) war eher geeignet, juvenilen Spannungen eine gewisse Süße zu geben.
Bleibe ich ein wenig bei den Norwegern. Es war Welhaven in einer Schulausgabe, der wegen der Vorlieben meiner Mutter für die Narben von Ostrolenka oder das Schicksal des Glaukos eine Rolle spielte, nicht Wergeland. Die Gedichte von Wildenvey flogen uns wie Spatzen um den Kopf, deshalb wohl auch der Einkauf in dem Cotswolds Dorf. Viel, viel weniger war es Knut Hamsun, der Deutschen große norwegische Liebe. Der Name meiner Schwester steht in einem ziemlich zerfetzten Taschenbuch der List Bücher (Nummer 9) von 1952, Victoria. Die Geschichte einer Liebe, damals im 441.-470. Tausend, die zutreffend, obwohl man sich dagegen wehren möchte, bedeutete, dass man auf die Welt gekommen ist, nur, um Sie zu lieben. Nun war, wenn ich mich recht erinnere, der List-Verlag der Verlag der deutschen Hamsun-Ausgaben, und so findet man auf zwei Seiten am Ende des Buches auch die Anzeige über das Gesamtwerk des Nobelpreisträgers Knut Hamsun, alle in vielen Tausender-Auflagen, und unter den ersten zwölf (lest Bücher) List Büchern befindet sich neben Victoria noch die Liebe ist hart als Nummer „1“ der Taschenbuchreihe, und mir fällt dann ein, dass ich eigentlich nach Ich Claudius, Kaiser und Gott von Robert v. Ranke Graves suchen müsste, der diesen Doppelnamen nur in Deutschland (?) gebrauchte, wodurch aber das Psychogramm des Kaisers keinen Deut schlechter wurde. Von den anderen Buchanzeigen sagt mir vom Durchblättern Catherine Drinker Bowen und Barbara von Meck, Geliebte Freundin. Tschaikowskys Leben und sein Briefwechsel mit Nadeshda von Meck etwas, der „Schriftsteller von Rang“ Fred von Hoerschelmann gar nichts, ebenso wie Edita Morris und Rudolf G. Binding wieder etwas, wenn auch nur wenig. Bücherschiff. Die Deutsche Bücherzeitung erinnere ich mich gelesen zu haben, aber nie sah ich Berckers Kleine Volksbibliothek., Jedes Heft 30 Pf aus dem Verlag Butzon & Bercker. Kevelaer Rhld.
Manchmal sollte man Bücher vielleicht nur nach den Übersetzern lesen. Lag es an Arno Schmidt einmal mehr, dass ich Hammond Innes’ rororo-Bändchen Der weiße Süden mit besonderer Spannung las? Als Penguin in Verbindung mit Collins zehn repräsentative Werke des Verlages „The Collins Ten“ herausgab, war darunter auch The White South. Oder sollte man Choderlos de Laclos nur lesen, weil neben Franz Blei u.a. Heinrich Mann ihn übersetzt hat? Die erste deutsche Übersetzung des vierbändigen Romans von 1782 erschien 1783 unter dem Titel Die gefährlichen Bekanntschaften - oder Briefe gesammelt in einer Gesellschaft und zur Belehrung einiger anderer bekanntgemacht. Heinrich Mann übertrug den Roman 1905 aus dem Französischen unter dem Titel Gefährliche Freundschaften und versah ihn mit einer essayistischen Einleitung (2 Bände, Leipzig: Friedrich Rothbart, Berlin: Hegner) mit Illustrationen nach Fragonard, Gèrard, Monnet und Barbier. Ab 1920 erschien seine Übersetzung unter dem Titel Schlimme Liebschaften (Leipzig, Insel).

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