Freitag, 16. April 2010

Intermezzo

Das hat mit Büchern kaum etwas zu tun, weil ich meine Tischdame zur Rechten meist nur nichts sagend anlächelte, da unsere Gemeinsamkeiten unter anderem den Regina Pacis Weg in Bonn nicht mit einschlossen. Um so schwatzhafter gingen meine Partnerin zur Linken und ich ans Werk, da wir mit etwa 150 Jahren in der Waagschale sehr wohl einiges zu bieten hatten, Erinnerungen über den Yueyang lou austauschten und uns durch etwas hindurchaßen, was im Laufe des Abends immer mehr den Charakter des unerschöpflichen Hirsebreitopfes annahm, der, da wir der unteren Tischhälfte zugeordnet waren, jedoch immer leicht gekühlt bei uns anlangte. Ich selber kam mir im Laufe der Zeit immer mehr wie einer dieser nörgelnden Teilnehmer am perfekten Dinner bei SAT1 vor, denn bien presenté war das Essen zweifellos, wie eine rundliche Frau K. in meinem heutigen Alter in meiner Jugendzeit zu sagen pflegte, wenn wir beim Zitronentanz das vorhergehende Mahl beredeten oder sie vor lauter Verzweiflung das schmerzende Gebiss aus dem Mund nahm und überaus diskret weiterklatschte. Meine jetztmalige Partnerin und ich hatten gewiss zusammen um die fünfzig echte Zähne. Wir hatten ein ganz anderes Problem. Zwar sprachen wir kundig über den Anarchismus Ba Jins, über den Stasi-Schwarz und andere Schwarzs – gar nicht so einfach mit dem Plural, aber wir hatten beide bei allem intelligenten Geschwätz vergessen, wie man eine Speisekarte liest. Wie aßen die Hühnersuppe mit Mais als Vorspeise, aßen Roastbeefröllchen, Shitakepilze und einen Hühnerfleischsalat als Hauptgericht und waren uns einig, jetzt müsse das Dessert von ausgebackenen Bananen folgen. Als solche erkannten wir das nächste Gericht, auch wenn die Bananen etwas merkwürdig aufgespießt auf runden Matzenscheiben hockten und von Grünzeug, das nicht wirklich obstig aussah, begleitet wurden. Aber gut, sie schnüffelte daran, ich desgleichen, und wir erkannten beide einen befremdlichen Fischgeruch an den Bananen. Erst jetzt nahmen wir ernsthaft die Lektüre der Speisekarte auf und einigten uns, dass wir beim ersten Hauptgang angelangt waren, dem, was man im deutschen Sprachgebrauch gern als Riesengarnelen bezeichnet. Danach gab es zwei exquisite Lammchops, die man fast mit der Gabel zerteilen konnte in Verbindung mit einer mir zu süßlichen Sauce – Meckerfritze! – dann gab es gedämpften Fisch - hört sich fast jüdisch an - und schließlich angeblich Jakobsmuschel(n), tatsächlich nach meiner Überzeugung dieses asiatische Kunstprodukt fasriger aus ihrem Panzer entfernter Schalentierstäbchen. Dann erst kamen die Bananen, ausgebacken für mich als Kostverächter sogar genießbar, während um den Tisch die Pralinen kreisten, Tee gereicht wurde, die Gläser geleert wurden etc.
Warum erzähle ich das? Mit zwei Einladungen in dieser Woche habe ich mein Jahrespensum nicht über-, aber in jedem Falle erfüllt. Dies war die zweite Essenseinladung, und es war, obwohl so ungefähr fünfzig vom Hundert der Leute eingeladen waren – und sie waren gekommen –, die ich besonders gut leiden kann, weil sie es verstehen, mich wach zu halten und auf der Hut zu sein, ein angenehmer und entspannter Abend, den die Gastgeber mit Diskretion und ebenfalls unangestrengt über die Runden brachten. Von deutscher (Berliner) Seite waren es die Professorae (was für ein Latein!) L. und M. (eine Whiskysorte?) – L. war übrigens die einzige, die die Einladung nicht hatte entziffern können und traf deshalb mit etwa einer Stunde Verspätung ein – und die Professores H. und R., der letztere nutzte weidlich die Chance zum Schnaps, um die spätere Busfahrt zurück nach Berlin-Mitte besser zu überstehen, der ehemalige Professor M. aus P. und Rana und ich.
Die erste Einladung der Woche verbrachten wir übrigens im (in der?) Bohle, wo über der Theke auf dem höchsten Regal die Büste einer Frau – zu hässlich als Königin Louise – steht, von der keiner der anwesenden Verantwortlichen wusste, wer sie war, Flohmarkt? oder Gründerin des Lokals? – aber leisten sich solche eine – ich glaube – Marmorbüste – oder doch im Inneren nur Gips? Das Ganze an der S-Bahnstation Saarstraße mit erträglichem Eigenbier.

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