Samstag, 24. April 2010

Lyder Sagen II

Unter seinen Schülern war P. A. Jensen, der mit einem Gedicht (Nr. 177: Steen Steensen Blicher) in Sagens Lesebuch vertreten ist, das von Kristian Elster d.y., Illustrert norsk litteraturhistorie. 2. Ausgabe, Bd. 3: Wergelandstiden og det nasjonale gjennembrudd. Oslo: Gyldendal 1935, p. 164, als eines der wenigen guten Gedichte von Jensen bezeichnet wird. Bei Elster bleiben außer dem Lesebuch und bergensischem Charme nicht viel an Substanz. Auch er bekam den Auftrag, ein Lesebuch für die Volksschule zusammenzustellen. Ness, p. 80 [c.f. auch p. 90] sagt, es, das Læsebog for Folkeskolen og Folkehjemmet, Udgiven efter offentlig Foranstaltning. Første Skoletrin. Kristiania: J.W. Cappelens Forlag 1863, sei vor allem in pietistischen Kreisen ein Stein des Anstoßes gewesen, leichtsinnig und weltlich, weil u.a. nordische Mythologie ebenfalls aufgenommen worden war. In Vestfold in Den jarlsbergske frimenighet scheinen ähnliche Argumente gebraucht worden zu sein wie in der aufgeklärten Pädagogik der siebziger und achtziger Jahre des nächsten Jahrhunderts, dass nämlich die Märchen die Kinder in Panik aus dem Schlaf rissen, und es sei grauenhaft, Kinder zu hören, die die nationalen Lieder sängen. Gleichzeitig aber ist es das erste autorisierte Lesebuch. Allerdings war es das einzige Lesebuch seiner Art und musste deshalb benutzt werden, wobei einzelne Stücke von fürsorglichen Eltern überklebt wurden wie z.B. „Thors Færd med Loke“. An der Auswahl war auch Jørgen Moe beteiligt, und Ivar Aasen mit seiner Kunstsprache war mit 16 Seiten vertreten. In den ersten 2-3 Jahren wurden 50.000 Exemplare verkauft, nach 15 Jahren waren 250.000 Exemplare in Schulen und Familien verbreitet.
Die englischen Dick Francis-Krimis hat Leyla auf dem Flohmarkt erfolgreich verramscht, aber sie hat nicht die deutsche Version, von dem ich meine, dass er einer der besten war, wo es nämlich u.a. über eine bestimmte Art Spielzeug heißt „sound aggressive stuff“, gesagt von dem Helden, einem Erfinder mechanischen Spielzeugs.
Anmerkung: Peter Andreas Jensen, 22. Dezember 1812 in Bergen - 15. Juni 1867, in Christiania, war Pfarrer, Autor und Herausgeber eines Lesebuchs. Seine Eltern waren der Kaufmann, später Kamininspektör (feierinspektør, und ich bin eingebildet, dass ich dieses Wort offensichtlich richtig verstanden habe. Dieses offiziöse Amt konnte auch mit dem des Wasserleitungsinspektörs verbunden werden), Andreas Blomhoff Jensen (1787–1857) und Sirene (Leyla sucht Namen für eine künftige Tochter) Pedersdatter (1781–1816). Verheiratet war er zum ersten Mal am 25.9.1838 in Bergen mit Wilhelmine Dorothea Thrap (29.8.1816–9.10.1851), Tochter des Richters am Tingrett, des späteren Stadtvogts („rådstuskriver“ bringt bei google die Seite des norwegisch-chinesischen Wörterbuches hervor, ohne dass das Wort darin enthalten wäre) Lauritz Thura Thrap (1786–1839) und Gjertrud Garmann Astrup (1782–1827); zum zweiten Mal am 27.8.1854 in Aker mit Mette Marie Riddervold (9.8.1827–4.5.1895), Tochter des residierenden Kapellans, des späteren Bischofs und Staatsrats Hans Riddervold (1795–1876) und Anne Marie Bull (1803–70). Er war ein Schwager von Conrad Langaard (1823–97), der mir als Gründer der einmal größten norwegischen Tabakfabrik, übrigens mit Sitz in Pilestrædet, näher steht als die kirchlich gebundenen Helden.
Jensen hat das kleinbürgerliche Milieu, aus dem er stammte, in seiner Autobiographie, den Autobiografiske Meddelelser geschildert, die er 1863 in Illustreret Nyhedsblad veröffentlichte (Hagemann 1965, pp. 197-200) und die nach Anders Krogvig die lebendigste Schilderung von Bergen am Anfang des 19. Jhs. sind. Auf der Kathedralschule in Bergen wurde er besonders von Lyder Sagen als sein muttersprachlicher Lehrer beeinflusst. Er weckte seine literarischen und ästhetischen Interessen, und sein Einfluss reichte so weit, dass er über Sagen schrieb dass er „en uberegnelig Indflydelse paa mig“ hatte; „jeg elskede hvad han elskede, og vragede hvad han vragede”.
Nach dem Abitur 1831 lebte Jensen einige Jahre in Christiania, wo er sich als Gelegenheitsdichter, Vortragender und Disputant auf der Seite Welhavens und der „Intelligenzpartei“ gegen Wergeland „Partei des norwegischen Wesens“ betätigte. Daneben beschäftigte er sich mit deutscher und dänischer gegenwartsliteratur, Heinrich Heine, H. C. Andersen, Fr. Paludan-Müller, Christian Winther, Henrik Hertz. In den ersten Jahren nach dem Examen 1836 fristete er sein Leben als Privatlehrer in Bergen, versuchte sich literarisch und als Amateurschauspieler.
Erst 1843 übernahm er sein erstes Pfarramt – zuerst als residierender Kapellan in der Gemeinde Lindås in Nordhordland und 1848 in Aker. 1849 wurde er Lehrer für Katechetik im praktisch-theologischen Seminar der Universität. 1851 hatte er ein Stipendium nach Dänemark und Deutschland, um praktische Theologie zu studieren. 1859 wurde er Stiftsprost in Christiania und Gemeindepfarrer an der Vår Frelsers kirke, dem Dom von Oslo. Ab 1862 war er auch Oberhofprediger, und bei den Bischofswahlen in Bergen 1863 und Hamar 1864 erhielt er die meisten Stimmen, lehnte aber ab.
In seiner Zeit galt er als ein redegewandter und repräsentativer Geistlicher, und er war als Psalmendichter, Lyriker und Dramatiker bekannt. Er war gesellschaftlich und kulturell offen, was auch seinen Ausdruck mit seiner Mitgliedschaft in der Freimaurerloge findet. Seine beiden Gedichtsammlungen (Et Snees Digtninger und Blade af min Mappe) und seine dramatischen Versuche (Dramatiske Digtninger und Kongens Magt) sind heute vergessen. Aber einige Psalmen, veröffentlicht in den Sammlungen Freidighed i Herren og Kirkeaaret. En Julegave til Menigheden haben in den norwegischen Psalmenbüchern überlebt, u.a. Alt er skapt av dig, o Gud og O, var min sjæl av tak så fuld. Sie sind charakteristisch für den indirekten Einfluss Grundtvigs auf ihn. Am besten aber erinnert man sich seiner als hervorragenden Kompilator von Lesebüchern. Bereits 1843 hatte er ein Læsebog til Brug for vore Skolers nederste og mellemste Classer (für die privaten Schulen, die damals die Bürgerjungen für die Lateinschule und Universität vorbereiteten) herausgegeben. Aber vor allem ist sein Name mit dem epochalen Læsebog for Folkeskolen og Folkehjemmet verbunden, das er 1863 herausgab. Hintergrund dafür war ein neues Gesetz für die Volksschulen auf dem Lande im Jahre 1860. Danach sollten die Schüler nicht mehr nur zur Konfirmation vorbereitet werden, sondern sie sollten auch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, die jedes Mitglied der Gesellschaft besitzen sollte. Unterrichtsfächer sollten Lesen, Religion, Schreiben, Rechnen und Lektüre von Texten zur Geographie, Naturkunde und Geschichte sein.
In Übereinstimmung damit teilte Jensen den Stoff in seinem Lesebuch in fünf Abteilungen, „das Heim“, „das Vaterland“, „die Welt“, „die Kirche“ und „Verschiedenes“, die sich jeweils für die drei Altersklassen wiederholen. Das Lesebuch ist sowohl eine literarische Anthologie als auch eine Art Enzyklopädie. Damit sollten die Schüler einmal norwegische und dänische Autoren in kindgerechter Form kennenlernen (z.B. B. S. Ingemann, Wergeland, Welhaven, Grundtvig, H. C. Andersen, Jørgen Moe, Bjørnson, Aasen, Vinje und viele andere, die ich tatsächlich meistens wenigstens fragmentarisch gelesen habe, was aber hier zu weit führen würde). Daneben enthielt das Lesebuch informative Texte von Fachleuten der damaligen Zeit, überwiegend zur Naturkunde. Damit wurde die norwegische Volsksschule zu einer allgemeinbildenden Schule. Da dies den meisten fremd war, nahm man vieler Orts das Lesebuch nur mit Kummer auf, und es kam bis zu einem norwegischen Kulturkampf, weil das Lesebuch eben auch weltliches Wissen und fiktionale Literatur neben christlichen Texten biete, was die Kinder nur verwirren werde. Besonderer Widerstand richtete sich gegen die Aufnahme norwegischer Märchen in das Lesebuch.
Trotz des unerwartet starken Widerstandes war das Lesebuch ein riesiger Erfolg, weil es nichts anderes gab und es vom Storting autorisiert worden war, und wurde bis 1882 in sechs großen Auflagen gedruckt. Es ist als pädagogisches Meisterwerk bezeichnet worden (Einar Molland), und der Kirchenhistoriker Ivar Welle nannte es den größten Sieg der Aufklärung in Norwegen im 19. Jh. Für den Schüler war es Jensens lesebok, und spannend wurde es, wenn der Bischof Jørgen Moe (die Nrn. 35, 36, 39, 46, 64, 129, 234 bei Lyder Sagen sind von ihm) die Schulaufsicht wahrnahm und man wusste, dass auch von ihm Texte im Lesebuch waren (Kristiansen, Kr.A., Fra Brubakken til Åseby. Skildringer fra 70-80 årene i en liten vestlandsby. Haugesund: Lothes Bokhandel A/S Georg Skogland 1949, S. 47, übrigens insgesamt nette und nichtssagende Erinnerungen für jeden anderen, der nicht aus Haugesund kam).
Seit 1865 war er Mitglied des Det Kongelige Norske Videnskabers Selskab fra 1865. Bibliographie in NFL, bd. 3, 1892, s. 140–143
Werkauswahl: Et Snees Digtninger, Bergen 1838. Læsebog, til Brug for vore Skolers nederste og mellemste Classer ved Underviisningen i Modersmaalet, Bergen 1843 (4. utg. 1860) Blade af min Mappe. Digte, 1849 Dramatiske Digtninger, 1852 Kongens Magt. Dramatisk Digtning, 1853Freidighed i Herren. Hundrede nye Psalmer, 1855. Bibelsk og kirkelig Historie om Guds Rige paa Jorden, udarbeidet til Brug for den christelige Skole, 1856 En Erindring (novelle), 1857 Kirkeaaret. En Julegave til Menigheden, 1861 Læsebog for Folkeskolen og Folkehjemmet, 3 Bde., 1863 (6. opplag 1881–82) Autobiografiske Meddelelser, 1908 (først trykt i Ill.Nyh. Nr. 1–2, 5–6, 10, 12, 15, 17, 21–23 og 48–52/1863)
Quellen und Sekundärliteratur: P. A. Jensen: Autobiografiske Meddelelser; Stud. 1831, 1881; Biographie in NFL, Bd. 3, 1892; H. G. Heggtveit: Den norske Kirke i det nittende Aarhundrede. Et Bidrag til dens Historie, 1912–20, S. 893–894; I. Welle: Kirkens historie, Bd. 2, 1931, S. 316; Ø. Anker: Biographie in NBL1, Bd. 7, 1934; S. Hammersbøen: P. A. Jensen og hans “Læsebog for folkeskolen og folkehjemmet”, 1937; E. Boyesen: “Kampen om en lesebok. Fra almueskole til folkeskole”, in Edda 1950, S. 117–134; R. Sanderud: Fra P. A. Jensen til Nordahl Rolfsen. Et skolehistorisk bilde, 1951; P. E. Rynning: Salmediktingi i Noreg, Bd. 2, 1954, S. 48–51; E. Molland: Norges kirkehistorie i det 19. århundre, Bd. 1, 1979, S. 276f. og 285–287; T. Steinfeld: “Lesebok blir folkeeie”, in E. B. Johnsen og T. Berg Eriksen (Hrsg.): Norsk litteraturhistorie. Sakprosa fra 1750 til 1985, Bd. 1, 1998, S. 471–479.

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